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[sticker on the front cover]
Freie Turnerschaft München
Jugenddabteilung IV
Protokollbuch
1/0768
Dipl.-Ing. G. Reisig
[front inside cover]
[stamp in bottom left of page] Max Bullinger München
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[3 words illegible] 25
[2 words illegible] Markt 8
Berlin – Zehlendorf, Treibjagdweg 22
[bottom of page] Dipl.-Ing. G. Reisig
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Tagebuch.
Aufenthalt in USA von 21. November 1945
Bis
Gerhard Reisig.
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21. November 45: Sturz u. Bieber sind lieb u. lassen sich schon gegen
�1900 ins Bettchen bringen, sodaß sie während meines Wegganges fest
schlafen. Gerlinde haben wir gesagt, das Vati ganz früh zeitig wegfahren
wird. Sie stellt mir in ihrem Bettchen nach den interessiert Fragen:
„In welchem Bettchen schläfft du heute nacht?“ Ich sage, daß ich mich wahrscheinlich im Wohnzimmer auf die Couch legen wurde, um sie nachts beim
Aufstehen nicht zu stören. Das akkzeptiert sie. „Aber welchen Decken deckst
du dich zu?“ – Ich wurde schon eine finden! – „Nimmt doch die schwarze
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vom Fenster hier!“ – Die hat doch Mutti hingehängt, damit es nicht so
hereinzieht! – heil.: „Ach nein, die hat doch Mutti hingehängt, damit es
dunkel hier dimmen wird, aber jetzt ist es doch schon ganz dunkel draußen!
Du kannst dich ruhig damit zu decken!” Ich beruhige sie damit, daß ich
meine Reisedecken nehmen werde. - …itels [?] Tränen sprechen genug für sich!
Kurz vor 2000 kommen 2 trucks. Das Aufladen geht schnell, eben=
so das Einsteigen. Gi reicht mir die Hand noch durch die Spalte zwischen
Wegenwand u. Plane. Das Letzte ist ihr Hand Kuß beim Auflahen! –
Bei seinem Schneetreiben geht’s rasch nach München. Etwa 2130 halt
am Flughafengebäude Oberwiesenfeld (?) (jetzt, „America hotel“) für sich
zur heimfahrt sammelnde amerikanische Soldaten [GI’s]). Verladen ein
„Verlaufenzug“ München-Paris, in einem älteren deutchen D-ZugWagen 3. Klasse, aber wenigstens mit Fensterscheiben an den Außer=
fenster. Es ist reichlich Platz, je Abteil nicht mehr als 4 Mann. Gepäck
wird in einem Abteil ohne Fenster verstaut, bis auf meine Kisse,
die vor der Eingangstür stehen bleiben muß! Es wird Bohnenkaffee
mit Strietzel gericht. Außer Capt. Schardt fährt Scd. Lt. Spence [?] mit.
22. November.- Abfahrt von München 230. Ich wache etwa 800 kurz
finden Ulm auf, als das Zug wieder in das Bahnhof zurückgeschoben
wird, da um Strecke durch einen heißgelaufen Wagen im Vor=
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gängerzug gesperrt ist. Das Personenbahnhof bietet das gleiche trostlose
Bild wie in Landshut. Im Morgendunst ist die Turm des Münchens zu
erkennen. Er scheint gottseidank heil geblieben zu fein! – 1230 an
Karlsruhe nachdem wir im Stuttgart herumgefahren sind und in
Kornwestheim Aufenthalt hatten (Dort nach Osten fahrender Polen=
zug, offenbar aus Frankreich kommennd). In Karlsruhe im Bahnhofs=
hotel (unmittelbar gegenüber dem Bahnhof) vorzügliches, nach untern
Begriffen üppiges Mittagessen; als Hauptgang Truthahn da Thanksgiving
-day! Der Bahnhofsvorplatz bitetet das übliche deutsche Städtebild.:
es liegen noch die Trümmer herum (keine allzu schweren beschä=
digungen), als wäre eben ein Angriff vorbei. Die französiche Besatzung
ist kaum zu spüren, es scheint alles von der Amerikanere beherscht
(z.b. die Bahnsteigsperren). 1430 ab Karlsruhe. An der Strecke zwischen
Karlsruhe u. Kehl fallen besonders die – irrsinniger Weise – fast aus=
nahmslos zerstörten Brücken auf! Es kommen mehrere sehr hohe
Viadukte, die vorläufig noch pioniermäßig geflickt sind; es wird
aber wenigstens schon daran gebaut! In der Abenddämmerung: Kehl,
anschließend über Rhein: wir sind aus Deutschland heraus! Haben der
offenbar intakt gebliebener Eisenbahnbrücken liegt die gesprengte Stra=
ßenbrücke im Wasser; mir scheint’s, als ein Symbol dafür, daß Europa
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doch nun nach eine verstaubte Rumpelkammer sein sollte! In der
Stadt, die wohl friedensmäßig beleuchtet war, überall Fahnen vielleicht wegen das Thanksgiving-day? Das Münster wurde plötzlich von
grellem Scheinwerferlicht bis an die oberste Spitzen angestrahlt: wie
für uns zum Abschied vom letzten Symbol deutschen Kulturbodens!
�Oben am Knauf des Turnes weste die Trikolore!! – Ca. 2000 Saarburg:
Abendbrot in amerikanischer, feldmäßiger Verpflegungsstation
(neun Baracken) mit Massenabfertigung, gut organisiert. Zum ersten
Male benutzen wir die Aluminium-„tables“ mit den zahlreichen
„Fächern“. Es gibt nochmals Trüthahn! Bald danach Weiterfahrt nun
mit typisch französischem „Husschepuff“ [?].
23. November – 600 an Paris Ostbahnhof. Unter diesen Umständen sollte
ich diesen also wiedersehen! Etwa 800 wieder wir in den amerikanischen
Speisesaal geführt (im Bahnhof selbst). Man empfängt das Essen aus
der Blechtafel am Büffet selbst, im übrigen bedienen zahlreicher meist
junge Französinnen. Sie können offenbau doch eine ganze Menge
Brocken deutsch; sie sind sehr neugierig u. fragen z.B., ob wir denn
nicht „Prussiens“ seien? Es ist uns aber verboten uns zu erkennen
zu geben. Nach dem Frühstück warten wir nach lange im Wagen
aus dem Bahnsteig. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, wieder
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einmal völlig intakte, sauber Züge mit erstaunlich modernen
D-Zugwagen zu fahren! Ein Schaffner hängt sogar Platzkarten auf!!
Man rangiert uns stundenweise auf allen möglichen Rangier=
bahnhöfen herum, sodaß wir zum Mittagessen nicht „an Land“ kön=
nen; wir müssen mit C-rations vorlieb nehmen. Am Nachmittag
rollen wir nach dem Güterbahnhof Stiber [?]. Lt. Spence [?] hat sich verdrückt,
Capt. Schardt läßt uns schließlich allein, um Abendbrot zu organi=
sieren. Schließlich halt es uns zwischen 1700 u. 1800 u. wir gehen über
die Gleise zu einem geschlossenen Ringbahnhof („La Ceinture“), vor dort
auf die Straße. In einem Omnibus werden wir wieder zum Ostbahn=
hof gefahren, Mahlzeit wieder im amer. Speisesaal. Ruf der Ruckfahrt
beschwatzen wir den Fahrer zu einem Umweg und fahren durch die
�wohl nahezu friedensmäßig beleuchteten Straßen des Zentrums von
Paris: Rue de la Fayette, Bvd. Des Italiens, Bvd. Haussmann, Opera,
Café de la Paix, Gare de Lasare.
24. November – 230 Abfahrt von Gare Bandelin?, an einen Güter=
zug gehängt. Es wird empfindlich kühl, da der wagen seit der An=
kunft in Paris nicht mehr geheizt wird. Unterwegs langer halt
auf einer kleinen Station, um die eleganten Triebwagen nach
Le Havre durchzulassen; nebliges Wetter. 1200 Ankunft in Le Havre,
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bei schönem Sonnenschein! Mittagbrot wieder in Form der Cration. Ca 1600 erscheinen 2 trucks, dabei Capt. Wooder, unser
zureiter begleiter; Lt. Spence verläßt uns endgültig u. verspricht,
unsere gute Ankunft in Le Havre nach Landshut zu kabeln.
Mit den LKW’s geht’s durch die Stadt, die am Bahnhof kaum beschäftigt
ist, nach dem Hafenviertel, wo fast kein Stein mehr auf dem
anderen steht. Zahlreiche deutche Kriegsgefangene räumen auf.
Unmittelbar am Strand stark betonierte deutsche Geschütztürme u.
Mannschaftsbunker („Ziethee“ [?], „Seydlitz“, „Ludendorff“ usw.), sie wer=
den auch abgerissen. dann steil hieraus zur Citadelle, jetzt amerikan.
„Camp Home Run”. Unterbringung in offizierskasematte, in die
wir eingesperrt werden. Sie besteht aus einem sauber getünchten
Tonnengewölbe; sie liegt in bzw. unter der Umwallung. Betten
sind ganz leidlich, mit Matratzen. Wärme gibt ein Kanonenofen
in der Messe, von einem deutschen Kriegsgefangenen bedient.
Unser Gepäck kommt sämtlich mit in dem Raum, es ist aber reich=
lich Platz. Abendbrot in Wellblechbaracke mit sehr praktischen Tischen
mit angebauten Bänken; am „Büffet“ ein ostasientischer (od. ostindischer)
Koch und zahlreiche, schnellergänhige [?] Französinnen, die nach der
�Essensausgabe im gleicher Raum essen. Sie schleppen beachtliche Menge
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Getränke u. Speisen (Puddings usw.) nach Hause da dies doch sonst von den Amis
nirgends zugelassen wird, scheint es ein „Faire amour“- Geschäft
mit den Ami-Mannschaften zu fein; das ganze wake-up der Mädchen
u. der kurz hafte Ton mit den Amis lassen darauf schließen. Wir selbst
warden von den Mädchen freigebig „gefüttert“, sie bringen auch sofort
wieder ihre deutschen Brocken an.
25. November – Gepäckrevision durch unsere Begleitoffiz., sehr großzü=
gig. Beschilderung des Gepäcks u. Papierkrieg dazu. Anschließend
„Ausgang“ auf der Umwallung. Schöner Blick auf die Seinebucht
u. die südliche Steilküste. War der Hafeneinfahrt ein halbgesunkener
Dampfer. Imponierend an der Citadelle sind eigentlich nur die
Beiden mächtigen Torbögen mit dem dazwischenliegenden Wall=
graben. Am Abend endlich wieder eine anständige Reinigung, so=
weit das mit dem stark gechlorten Wasser möglich ist: warmes
Brausebad! Die sonstige Waschgelegenheit ist sehr witzig: als Wasch=
Becken dienen amerikanische Stahlhelme. Am Abend besucht uns
ein kriegsgefangener deutscher Pfarre, der aus dem Hunsrück stammt
u. der Deutschland nachrichten für feine Kameraden sammelt.
26. November die Kameraden beklagen sich besser, daß sie von zu
Hause keine Post durch die Amis bekommen; sonst seien Behandlung
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u. Verpflegung sehr gut.
26. November – Empfang amerikanischer Marketenderware. Besonders
billig erscheinen uns die Rauchwaren – Impfung gegen „typhoid“
(Flecktyphus?) u. Pocken. – 1300 Abholung des Großgepäcks.
�27. November – 1100 Mittagessen. – 1315 Verladung auf große LKW’s
(Sattelschlepper), wir bekommen einen für uns. Alle Offiziere außen
2 Obersten die im großen „Feld“-PKW voran fahren werden ebenso
Befördert! 4 [1 word illegible]-Mädchen (bis zu Majorsrang!) verabschieden sich
von ihren Offizierskameraden ungeniert mit Mund-auf-MundKüssen ante coram publico! 1345 Ausfahrt aus Camp „Home Run“
durch das völlig zerstörte Wohnviertel Le Havres zu den Landeplätzen
zwischen noch stehenden Bunkernsten ist eine riesige Kiesfläche
aufgeschüttet, wo bereits alles von „GI“sx) [1 word illegible], die auf die Ein=
schiffung wachen. Im nächsten Hafenbecken liegt ein großen, zwei=
scharsteiniger Truppentransporter modernen Bauart schätzungsweise
25…30 000 to, mit dem wir leider nicht fahren werden. Vor uns
fahren wir auf das Heck des Schiffes „Le Jeune“ (ehem. amerikan.
General), das uns wesentlich kleiner erscheint. Später stellte sich
heraus, daß das Schiff doch etwa 17 000 to hat. Es dämmerte bereits,
als wir an Bord gingen. Dort ein fürchterliches Gewimmel, wann
[footnote at bottom of page] „GI“ = „government issue“ so. „general issue“.
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doch etwa 4700 passagiere an Bord! Unterbringung in einer Kabine
im „main-deck“ an Backbord, die Bullaugen sind alle „verna
gelt, nur künstliches Richt u. künstliche Belüftung! Die Raum ist
nahezu völlig ausgefüllt mit Betten: 33 Stühle in 3 Etagen! Wir
haben noch 10 GI’s dazubekommen für die augeblich sonst kein
Platz wäre! Inden Nachbarkabinen (nach achtern zu) liegen Leut=
nante u. Oberleutnante, Rote Kreuz-Führer, Fähnriche. Wir essen
ein Deck tiefer in der eigentlichen „crew-mess-hall“, die jetzt
für die jüngeren Offiziere bestimmt ist. Polonaise am Büffet wie
üblich. Bemerkenswert ist, daß man das Geschirr auch selbst
9
�abzulegen hat; die Platte wird an einer Abfalltone entleert, [1 word illegible]
der halbe (u. auch ganze!) Mahlzeiten verschwinden, anschließend
muß man sie in Seifenwasser abpinseln. Die eigentliche Reini=
gung erfolgt in Abwaschmachinen. Es ist schon jetzt ziemlich
schwül in der Messe; erfrischend ist das gekühlte Süßwasser aus
der Wasserspendern. – Die Befehlserteilung erfolgt über Lautspre=
cheranlage, Befehle warden durch mehr oder weniger phantasievolles,
schilles pfeifen angekündigt. Zum Zapfenstreich u. zum Wecken
wird mit Begeisterung trompetet. Die Betten sind gut, anständige
Matratzen. 2200 licht aus!
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28. November – 815 legt das Schiff, fast unmerklich, ab. So
nüchtern ist also die Abschied von Europa! Es ist auch noch dämmrig.
Nachmittags an Steuerbord am Horizont Hügel der englischen Küste.
Der Schiffsverkehr ist ziemlich rege. „Abandon-ship“-Übung. Man
wird an die Stelle geführt, wo das vorbestimmte Rettungsfloß
hängt (unseres am „Promenadendeck“ backbord). Bei jedem Ver=
lassen der Kabine müssen wir jetzt Schwimmgürtel tragen.
29. November – das Schiff schaukelt schon beinahe unangenehm;
seitliche Bewegung ca±4°. Bei mehrenen Leuten Magenverstim=
mungen, auch ich fühle mich elend u. schlafe fast den ganzen
Tag. Immerhin halte ich mich damit soweit zusammen, das ich
keine von den drei Mahlzeiten zu versäumen brauche. Übel
wirkt sich bei diesem zustande aus, daß die Schiffskoch so entsetzlich
süß und weichlich ist. Auch als der erste Aufenthalt auf dem Prome=
nadendeck gestattet ist, wird er in diesem Zustand nicht zur Erholung.
Nach Tisch wieder „Abandon-ship“-Übung. Himmel düster.
30. November. – Schiffslage ruhiger, Sonnenschein. Ich fühle mich
�erheblich wohler, habe aber noch großes Schlafbedürfnis. Die Laune
wird einem an Deck, besonders vormittags, durch den Lautspre=
cheranlage verdorben; Geisttötende Chorelmelodien bei der Morgenen=
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dacht u. irrsinniges Schlagergequietsche danach, eine äußerst
unangenehm Nervenbelastung! Nachmittags wird vom „Liberty“Schiff, das von Antwerpen kommt u. das wir überholt haben,
ein kranken GI (mit Blinddarmentzündung) übernommen. Das
Schiffsmanöver mit dem Boot, das den Kranken vom anderen
Schiff holte, war nicht sehr vertrauenerweckend für die amerikanische
Marine! Die hätten doch den armen Kerl, in der Luft baumelnd
lassen bald noch an der Bordwand umgebracht! Die Operation selbst
soll gut verlausen sein. – Position 42-02 nördl. Breite 20-31 westl. Länge.
1. Dezember. – Sonnenschein! Die Dünung wird im Laufe des
Tages immer länger, mas sich auf die Schiffslage u. auf unsere
Zustand ungünstig aus wirkt, sehr ermüdend. Nachmittags werden
backbord zwei sehr gebirgige, bewaldete Azoreninseln sichtbar,
an denen wir mit 5…10 km Abstand vorüber fahren. Position:
40-47 nördl. Breite, 29-31 westl. Länge, also bereits in der Breite
Newyorks (u. Neapols!). Noch 2079 Meilen (≈3350 km) bis Newyork
zu fahren. Die Luft ist fast unangenehm weich! Am Abend kaum
erträgliche Wärme in der Kabine trotz Dauerbelüftung.
4. Dezember. – In der vergangenen Nacht schweres Rollen, sodaß
im Deck unter uns die Brocken schwer u. mit Getöse durcheinander
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flogen, u. wir selbst in den Betten unangenehm hin u. her
rollten. – Vormittags wieder „typhoid“-Impflung, ziemlich
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�schwere Dosis offenbar, denn uns aller wird für mindestens 1 Tag
der rechte Arm lahmgelegt, Dobrick u. Heller bekommen erheblich
Fieber. – Vormittags am Horizont steuerbord Dampfer aus gegen=
kurs. Die See wird zusehends ruhiger.
5. Dezember. – Erheblich abgekühlt, trübe; wohl bereits Einfluß
der kontinentalen Wetterbedingungen! Es fliegen die ersten
Möwen wieder hinter dem Schiff! – Nach Tisch „Schwanzparade“
durch urkomischen, kleinen Arzt im Oberfeldarztrang. Wir stehen
nackehei in Decken gehüllt in der Kabine. Der Arzt spricht kaum
Deutsch, Rudolph versteht kaum Englisch, u. als er nicht weiß was
Der Arzt von ihm will, ruft der Arzt nur: „Schwanz”!, vorauf
eindeutige Verständigung erzielt vor. – Für Abend wird Sicht aus
Newyork angekündigt, es ist aber dann schlechtes Wetter. – Die Offi=
ziere werden spürbar gesprächiger, obwohl am ersten Tage durch
Lautsprecher angesagt worden war, daß wir deutsche Wissenschaft=
ler im Auftrage des War department seien u. niemand mit
uns sprechen dürfe. Bereits am ersten Abend sprach ich aber mit
einem jünger, sympAthischer Oberleutnant, der mich vor der
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Landkarte der USA ansprech. Er war Petroleumingenieur u.
lebte in Arizona. Er fand es vollkommen natürlich u. beurteilte
es absolut objektiv, daß wir in USA arbeiten werden; von Haß kei=
nerlei Spur! Heute sprach mich an Deck ein junger Captain von
südländischem Aussehen an (er war griechischer Abstammung, wie
sich herausstellte), der nach 3(!) fahren endlich nach Amerika zu=
rückkehren. Nach 8 Tagen werde er entlassen. Er habe an 2 „uni=
versities“ Maschinenbau studiert, will aber nun anscheinend eine
Tracktorenstation betreiben. Er meinte, es würde uns bereits
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�noch kurzer Zeit in USA sehr gut gefallen („you’ll like it!“),
wir würden eine gute Zukunft haben u. sehr bald unsere Fa=
milien nach drüben holen können. Als Ingenieure würden wir
ein gutes Einkommen haben. Von daß od. auch nur Voreingenom=
menheit also keine Spur, im Gegenteil, man fühlte eine
eindeutige Hochachtung vor der deutschen Wissenschaft im Allge=
meiner u. vor der deutschen Technik im Besonderen! Das ist
also die Anschauung des natürlich empfindenden u. geradlienig
denkende US-Amerikaners! Eigentlich haben die Leute doch ein
gesundes, unbeeinflußtes, also selbständiges u. nicht ver=
krampftes Urteil! Ein Rotes Kreuz-Führer ließ sich seine „eroberte“,
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hochfeudal ausgerüstete Leica III („Luftwaffeneigentum“!)
erklären. Er war die Freundlichkeit selber. Also auch bei einem
Nichttechniker spürte man die rein sachliche Einstellung zu
uns, die auf einer, vielleicht sogar unbewußsten, Schätzung
unserer Leistungen beruht.
6. Dezember. – Heute ist Ankunftstag! Frühzeitig sind alle auf
den Beinen, besonders die Amis in unserer Kabine tun bereits
lange vor dem Wecker so, als wären sie allein im Raume!
Sie sind uns überhaupt in den letzten Tagen urheblich aus
die Nerven gefallen; das Zusammenwohnen war eine recht
unfreundliche Beigabe für die Überfahrt! Sie hackten mit immer
mehr GI’s zusammen, sodaß man kaum noch treten konnte,
qualmten ununterbrochen fast sogar die ganze Nacht hindurch
u. waren im ganzen doch richt unappetitlich unsauber; abgesehen vom ewigen Krakeelen. – Etwa 900 werden wir mit
Kriminalpolizei – nachdem das Schiff etwa 840 am Pier
�fastgemacht hatte,- in unsere Kabine gesperrt. Von der Einfahrt
in der Hafen war wegen das schlechten Wetters soweite nichts
zu sehen – von Freiheitsstatue keine Spur – nur durch das
Bullauge des „transport office“ konnte ich ein wenig von
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der Hudsonufer (endlos farikbesäumt!) u. den Piers sehen.
Reporter, auch weibliche, strömen an Bord. An uns läßt sie die
Kripo nicht heran; sie fragen die GI’s nach uns aus, aber offen=
bar, ohne etwas Bedeutsames zu erfahren. – Etwa 1315 ausgezeich=
nete „sandwiches“ (sprich: belegte Boote!) u. – welche Labsal – einen
Streifen saure Gurke (!) erhalten. Kurz darauf, etwa 1340, von
Bord, durch einem Kordon von Kriminalpolizei, über einen
überdeckten Laufsteg, in eine Ladehalle. Die Überfahrt hat
also 8 Tage u. 1½ Stunde gedauert, einschließlich des Aufenth=
halts auf See zur Übernahme des Kranken. Im Grunde haben
wir die Überfahrt doch mit einem deutschen Schiff gemacht: die
„Le Jeune“ ist nämlich die „Windhuk” der „Deutschen AfrikaLinie“, sie ist von den Amis im Kriege in einem südameri=
kanischen Hafen geschnappt worden („purchased“ nennen das die
Amis!), nachdem vorher angeblich zum Traß [?] des „Graf Spee“
u. zur U-Boots-Untersützung im Südatlantik gehört hatte! –
In der Ladehalle würden wir sogleich in einen bereitstehenden
Omnibus geführt. Dorte reichten mittelältliche sehr liebenswürdige
Rotes Kreuz-ladies Kaffee, Milch u. bergeweise Schnitzel. Bald ging’s las,
unsere Eskorte war wieder beachtlich: außer Major Wooden nach ein
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überaus freundlicher, ältlicher transportation-major (Der
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�später auf die Central-station werklich stolz war!) u. wenigstens
3 Kripo-Beamte! Wir führen erste durch „Allerwelts“-Hafenstraße
sehr bald aber aus einem „highway“ entlang den Piers am Hudsen
von da relative freier Blick auf die Stadt u. auf Wolkenkratzer,
deren Oberheile in den Wolken staken. Schon aus den sichtbaren
Teilen der Wolkenkratzer war zu erkommen daß ihre Architektur
im allgemeinen doch durchaus architektonisch u. ästhetisch befrie
digend ist, besonders, wann man die anderen amerikanischen
Bau-„Leistungen“ damit vergleicht! Von highway ging’s auf
die 42th Ave., offenbar eine der bedeutenderen Geschäftsstraßen.
Auffällig war die Straßenbahn mit Strom-(Mittel-)schiene u. die
üppigen Schaufenster-Auslagen. Von den Fronten der Wolken=
kratzer konnten wir von den Autobussitzen aus ja nicht viel
sehen, es ging eben nur unerhört in die Höhe! Bemerkenswert
war ferner die irrlichternde Lichtreklame auch am hellen Tage;
besonders auffällig an einer Stelle, wo etwa 5…6 große Kinos
unmittelbar nebeneinander legen. In die New York Centralstation fuhren wir von hinten hinein. Neger fungieren als
„gelehrt“ aussehende Gepäckträger; wir müssen unsere Sachen aber
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selbst schleppen, da wir ja noch kein amerikanisches Geld haben!
Die Empfangshalle der „Central-station“ wirkt tatsächlich impo=
nierend: ein einsiges Tonnengebwölbe, matt hell-olivengrün
gefärbt mit allegorischen goldenen Sternenbildern. Dagegen
wirken selbst die Empfangshallen des Leipziger Hauptbahnhofes
wie eine halbe Portion, zumindest im Ansehen ärmlich. Es ist
hier alles blitzsauber, die Bahnsteige liegen alle unterirdisch,
gänzlich abgeschlossen; der Bahnbetrieb ist voll elektrisch. Wir steigen
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�in den letzten (Sonder-)Wagen des Zuges nach Boston. Gepolsterte
Einheitsklasse; wir haben reichlicht Platz, noch üppigen ist die
Beleuchtung. 1500 Abfahrt. Lange Zeit verläuft die Strecke unterir=
disch. Wir seigen im den Vorstädten ans Tageblicht. Die sind erschüt=
teru häßlich! Jude Opur von städtabaulicher oder architektonischästhetischer Gestaltung des Einzelhauses fehlt! Es ist des trostlos
u. niederschmetternd! Dazu noch der Deck in den hinterhöfen,
als wir durch ein Negerviertel haben! Es gibt nur einen kümmer=
lichen Vergleich: die häßlichsten sächlischen Industriestädte ins
„Millionenstädtische“ übersetzt! Zum Grauen, wenn man’s nicht
gewohnt ist! Die Stadt löst sich allmählich auf, es kommen „Villen“-Vor=
orte. Die „Villen“ sind für unsern Begriffe recht primitive, zum grö=
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ßten Teil „bessern“ Lauben, architektonisch meist wertlos. Nur
die Lage ist oft sehr hübsch, wie in einer Parklandschaft. Die Grund=
stücke haben meist keine Zäune. Ausfallend sind die Betonstraßen
u. die Verkehrssignale auch im kleinen Ortschaften bzw. Ansiedlungen
die Landschaft ist leicht gewallt, meist parkartig, ab u. zu Laubwälder
mit intensiv goldgelben Färbung. Viel Wasserflächen, rechts im einiger
Entfernung die Küste. In den Ortschaften u. öfters auch außerhalb
zahleniche Fabriken, meist modern gebaut, sauber gefallen u.
immer meist überreichlich beleuchtet. Von den Werken, besonders
auffällig vor den kleineren, parkende Wagen mit moistens sehr mo=
dernen Linien. – In den freien Flächen u. an der BahnkörperBöschung tritt oft der nacken Fels zutage. Der Fels-wohl glacial
abgeschliffen liegt wie große Schildkrötenpanzer in der Wiesen.
Bald wird’s dunkel. Größere Sation: Providence, mit scheinwer
ferangestrahlten „Capital“. Ca 2000 Ankunft in Boston, bei
�sollem Regen. Unser zug war von zwei dieselelektrischen
Loks gefahren. MP (Military police) geleitet uns bei gesperrten
Bahnsteigzugängen zur Gepäckanfuhrt, wo wir in 2 Lkw verladen
werden. Wooden, der in Le Havre nach zum Major befördert
wurde, u. Schardt, der im Boston zu hause ist (er ist Komman[page 21]
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dant des Lagers in Oberursel, wo Prof. Stieren u. Rosinski schändlich
untergebracht waren!) bleiben zurück. Es geht nicht weit, zu einem
Holzschuppen, wo uns eröffnet wird, daß Fort Strong auf einer klei=
nen Insel lieft, etwa ½ Std. mit dem Boot zu fahren. Beim Einstei=
gen im das Boot erkannte ich erst, daß Boston eome Hafenstadt ist:
an einem turmartigen Hochhaus – eins der Wahrzeichen Bostons –
blinkte ein rotes Leuchtfeuer! Im hafen sehr viele Schiffe beim
Löschen u. Laden, helle Beleuchtung; auch ein schweres Kriegsschiff.
In der Bucht zahlreiche frei ankernde Schiffe. Der Regen strömte
wie aus Gießkannen, dazu steife Brise, als wir an einer kleinen
Anlagestelle „Fort Strong“ wieder an Land gingen. Kurzer Fußweg,
zum Teil durch reisige Pfützen, zu einem hell angestrahlten, mehr=
stöckigen, mastiren Gebäude. Empfang durch zwei junge GI’s, sehr
gut deutsch sprechend (Juden). Quartier finde ich in einem sauber
hergerichteten Saal mit Abteilen, die durch pappene [?] spanische Wände
gebildet werden, zusammen mit 13 Kameraden. T„alle Knecker“
schlafen in 2 kleineren Zimmer. Dampfheizung ist zwar vorhanden;
da wir aber unerwartet (!!) kommen, ist es noch kühl. Kaltes
Abendbrot, serviert von deutschen Kriegsgefangenen, die eigens
Zum Kochen, Bedienen u. Instandhalten hier sind. Vor dem Schla=
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�fengehen schöne waren Dusche die den ganzen Tag uber betriebs=
fähig ist.
7. Dezember. – Am Vormittag großer Papierkrieg mit Ausfüllen
von unerschöpflichen Fragebögen unter Assistenz von einsam Schwere
von Übersetzern, fast alles jüngern Juden! Nach Tisch Fingerabdrücke
von allen 10 Fingern! – Die erste, erhebliche Entfäuschung erleben
wir dadurch, daß man uns je Nacht $1,20 einbehalten wird! v. Braun
u. Axster hätten auch schon Sturm dagegen galaufen,- erzählt uns
Earlsson der Leiter der hiesigen Intelligence service-Gruppe-bisher
leider aber vergeblich. Ein ärgelicher Reinfall!
Außer uns sind nach 7 Deutsche „Wissenschaftler“ hier. Unter
ihnen ist nur ein mir bekannten: Theo Sturm, …mühle [?]
seligen Andenkens! Er ist vom …ch [?] Signal Coetts [?] mit Flug=
zeug, zusammen mit v. Braun, Schwidetzky usw. Hergebraucht
werden u. wartet seit dem 18. September auf seine Verwen=
dung! Sein Betreuer ist Prof. Haley vom Massachusets Institute
of Technology (engebl. Inhaber der dortigen Lehrstuhles s. Fernneldeteche.).
8. Dezember. – Die deutschen Kriegsgefangenen hatten uns zu ei=
nem sonntäglichen Fußballspiel aufgefordert. Zum Abendessen
geb ihr Sprechen eine Erklärung ab: „Wir lehnen es ab, mit ihner
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Fußball zu spielen! Wir sind Antifaschisten u. Deserteure u. wollen
nichts zu tun haben mit solchen, die immer noch faschistisch den=
ken u. hörig sind! Solche, die sagen, in Deutschland schwimme jetzt
sie Schlacke obere, sind immer noch Faschisten!“ Wir betrachten das
ganze al seine Unverschämtheit, die scheinbaren sachlichen Differenzen al sein Mißverständnis. Der Sprecher der Kriegsgefangenen
entschuldigt sich, als er von Lindenburg u. Debus zur Rade gestellt
21
�wird.
9. Dezember. – Abends Vortrag von GI Lalm (Jude) über ameri=
kanische Maßsysteme. Vorführung eines Bildstreifens des Bureau
of Standards.
10. Dezember. – Nach Tisch endlich Passbild-Aufnahmen durch
Zivilfotograf. – Abends zum ersten Male Kino. Kurzfilme recht
mäßiger Art, Mickymaus lebt hier immer noch in aller Frische!
Auschließend stehende Bilder von der USA-Nationalparks. Am
Nachmittag führte der GI Lederer (Wiener Jude) Schallplatten
mit Kompositionen des in Amerika berühmten Newyorker Kompo=
nisten Gerschwin vor. Sein berühmtetses Werk ist die Klavierkom=
position „Rhapsodie in Blue“; erscheint mir stark an Chopin an=
gelehnt. Auch sonst kam ich nichts Originalles entdecken.
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11. Dezember. – Den größten Teil unserer reichlich bemessenen
Zeit verbringen wir mit dem Lesen amerikanischer Zeitungen
u. Zeitschriften. Es gibt darin immer wieder interessante Fast=
stellungen zu machen. Wir erfahren darin zum ersten Male Ge=
neueres über amerikanische Warenverknappungen. Für die ersten
H Monate 1946 wird eine Zuckerration von 5 Pfund je Kopf ange=
Kündigt. Man liest auch von neuerlicher Butterknappheit, u. eine
Leserin beschwert sich, daß deutsche Kriegsgefangene Schinken be=
kämen, den die amerikanischen Hausfrauen während der letzten
Fahre überhaupt nicht zu sehen bekommen fallen! Auch die 1946er
Modelle der PKW’s u. der Rundfunkgeräte werden als noch nicht
lieferbar angezeigt.
G. Wirshing schreibt im „Maßloten Kontinent”, daß der
Schönheitskult der amerikanischen Frau das Einzige sei, waren
�sich ein ästhetisches Empfinden der Amerikaner äußern. Bemer=
kens wert ist dazu ein Artikel im „Time“ (46[1945]30, Nr. 18) vom
25. Okt. 45 über die neusten Pariser Herbstmoden, der nicht recht im
Einklang steht mit der angeblich in USA herrschenden puritanischen
Prüderin, u. der im Gegenteil ein natürliches Interesse für
den Frauenkörper als Schönheitsideal bekundet. Es frißt dort:
[page 25]
1945
23
„In den gedrängten, blumengedeckten Salons der Pariser
Spitzen-Kostümschneider (couturiers) gingen die ersten großen
Nachkriegs-Schauen der neuen Herbstmoden Tag für Tag von sich…. Als in
der letzten Woche die Bilder der neuen Modelle in USA eintraten,
prüften die USA-Entwerfer um zu sehen, was auskommt u. was
aus der Mode kommt (what was up and what was down)….
Der Halbausschnitt (neckline) war eindeutig (definitely) tief
(down): der am meisten bemerkenswerte Zug vor die ‘Wieder=
einsatzung (restoration) des Busens’ sowohl be idem Abend=wie
bei den Tageskleidern. Lucien Lelong begrüßte das als „die Wie=
derentdeckung der Gestalt des Körpers, unter nachdrücklicher Beto=
nung der Büste“…. [this is a direct translation of an excerpt from an article in Time Magazine, you can
read the original English here: FASHIONS: Something Old, Something New - TIME]
12. Dezember. – Klares himmel, es ist sehr kalt, der Wind blast eisig
über die Insel.- Nun haben wir es auch schwarz auf weiß, was wir
sind! Prof. Otto Hahn, Kaiser-Wilhelm-Inst. F. Chemie, der „ElementeSpalter“, ist in USA, u. über ihn schreibt die „Time“ vom 26. Nov. 45
(46[1945]90, Nr. 22), da er den Chemie-Nobelpreis 1944 verliehen
Bekommen hat: „Der 1944er Preis für Chemie fiel an den Pionier
Der Atomspaltung, Prof. Otto Hahn, 66, vormalig in Berlin. Hahn kam
1933 nach USA, um für ein Jahr im Cornell zu lessen. Man glaubt,
�[page 26]
24
1945
daß er gegenwärtig in USA ist, unser verschiedenen Umständen.
Wo er jetzt ist, kömmen die USA-Wissenschaftler nicht sagen, u. die
Regierungsautoritäten wollen (will) es nicht sagen. Falts (if) er
Einer der deutschen Wissenschaftler ist, die als „lebener Wieder=
gutmachung“ („human reparations”!) nach USA eingeführt
(imported!) wurden, so würden zum ersten Male ein Nobelpreis
einem scheinbaren (virtual) Kriegsgefangenen zuerkannt werden
sein. Als Prof. Hahn seine erste Atomspaltung durchführte, war er
der Leiter des Chemischen Kaiser Wilhelm Institutes. Später, unter
den Nazis, arbeitete das Institut sehr intensive (furiously), um
eine Atombombe zu konstruieren, die auf seiner Entdeckung ba=
sierte“. [this is a direct translation of an excerpt from an article in Time Magazine, you can read the
original English here: Science: Nobel Prizewinners - TIME]
Unter zukünftiger „Platz“, El Paso, hat auch sein season, u.
bezeichnender Weite als Ort in der subtropischen Zone, im Winterwie [?] eine Anzeige im „Time“ vom. 26. Nov. 45 [46(1945)86, Nr. 22]
besagt. Es scheint ein „Karnival”-Rummel zwischen Weihnachten
u. Neujahr zu sein. Ob wir noch etwas davon mitbekommen werden?
Die Anzeige lautet:
„Be in El Paso for the Sun Carnival
Sun Bowl Game – New years festivities
[page 27]
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Joyous celebrations – Old times day.
Thrills! Glamour! Regal Courts! Carnival spirit,
Mexico’s languid romance, the West’s stirring virility.
Four fun-packed days in warm, dry, sunny El Paso,
25
�Climaxed by New Year’s famed “Sun Bowl” cham=
pionship Football Game, confirmed housing reservations
essential here.
El Paso Sunland Club
306 San Francisco Street
El Paso, Taseas
Sunshine Playground of the Border”.
[this is a one-to-one copy of an advertisement from Time magazine; You can see the original here: Page
87 - Nov. 26, 1945, No. 22 - The Vault - TIME]
Auch für die Sunshine-season in Florida (Miami-beach etc.) wird
Eine mächtige Reklame in zeitungen u. zeitschriften gemacht. Ob
das aber nicht-wie der Riviere-Ausenthalt im Europa-eine Ange=
legenheit für die „besseren“ Leute ist, nachdem entpfohlen wird,
mit dem Flugzeug dorthin zu reisen?
13. Dezember. – Heute wird zum ersten Male Löhnung ausgezahlt.
Die Zahlmeisterei scheint in der US-terms genau so stur zu sein
wie beim deutschen Kommiß! Nach unserer Berechnung halten $1,50;
das Defizit ergebt sich aus ein kleinlichen Berechnung das An=
kunststages in Newyork, wo wir ja erst 900 am Pier anlegten!
[page 28]
26
1945
15. Dezember. – Es hat reichlich geschneit, die Luft ist ruhig u.
neblig. – Die Amis stellen uns nach Tisch einen Rundfunkgerät
zur Verfügung, damit wie die Übertragung der „Meistersinger“
aus der Metropolitan-Oper, New York, hören können. Die Übertra=
gung ist wenig befriedigund, offenbar genügt das Kabel zwischen
Newyork u. Boston (wir hörten den Bostoner Sender) unseren
Qualitätsansprüchen nicht. Die Sendung wurde von der StandardOil-Company finanziert! Am Abend sendete Boston das Klavier=
konzert G-Dur von Beethoven, eine ausgezeichnete Übertragung,
�das Konzert wurde im Boston selbst gegeben. Solist war Borowski.
Das Wochenprogramme der Metropolitan ist erstaunlich klassisch, oder sogar
Deutsch! In einer Woche wurden gespielt: Meistersinger, Lohengrin,
Tannhäuser, Fidelio, Barbier v. Sevilla, Rigoletto, La Traviata! Die
„Wagen-Ära“ an der Metropolitan soll ein Verdienst das Kanadischen
Generalintendanten (früherer Opernsänger) Edward Johnson sein,
Der damit die „Italienische Ära“ der Metropolitan ablöste u. zugleich
deren sehr gefährdete wirtschaftliche Existenz sieherte („Time“ v. 10. Dez.
45 [46(1945)65, H. 24]. Wagners „Ring“ wird in diesem Jahre zum
ersten Male seit 1924 gespielt! Johnson hat auch wesentliche, bedeu=
tungsvolle international Künstler an die Metropolitan gesagt: Als
[page 29]
1945
27
Dirigenten Fritz Busch u. Bruno Walter, als Sänger z.B. Lauritz Mel=
chior u. Torsten Ralf!
Nach dem Abendbrot Vortrag von GI Meyer über amerikanische „Ver=
fassung“. Tatsächlich schilderte er im wesentlichen das amer. Wahls…[?].
Neues brachte er eigentlich nicht. Die Diskussion ergab die sachenvollen [?]
Probleme, die USA zur zeit hat: Beteitigung der Arbeitslosigkeit! Wa=
rum gegenwärtig Kampf um der Full-employing-bill, d. Staatsgaran=
tie für Beschäftigung Aller („Recht aus Arbeit“). Notwendigkeit einer
Planwirtschaft, d. h. Entwicklung zum Staatssozialismus oder=kapita=
lismus. Unmöglickeit eines halbstfunktionierenden, natürlichen
Außenhandels, da USA gütermäßig hast völlig saturiert ist u. kaum
ein Land der Well andere zahlmittel außer Waren besitzt!.
16. Dezember. – Es seht bei blauem himmel wieder dieser eisige Wind
über die Insel, daß man sich kaum was Haus getraut! – Zahlreiche
gute Rundfunksendungen: Vormittags Klaviersonate von Beethoven
(Pathetique); Nachmittags u. Abends: Les Préludes v. List (wieder schlechte
�Übertragung aus Newyork!), Weihnachtsmusik v. Corelli, Violinkonzert
A-Dur v. Mozart, letzten beide aus Boston, ausgezeichnet.
17. Dezember. – Immer noch fahrt der Sturm eisig über die Insel!
- Nachmittags seilt und GI Meyer mit, daß wir in 2…3 Tagen
[page 30]
28
1945
abreisen werden! Nach den Äußerungen von Carlsson hatten wir
angenommen, wir würden auch über Weihnachten hier bleiben.
Einen Anhalt dafür bieten die Anzeigen der Eisenbahngesellschaft=
ten in den Zeitungen, die aus die Überfüllung u. Verkehrsschwierig=
keiten über Weihnachten hinweisen. Besonders überlastet seine
die Zuge von der Pazifikküste nach dem Open, wagen der aus Süd=
ten u. Ostasien rückkehrenden GI’s. Es gibt hier überhaupt noch Ei=
senbahnsorgen, die uns kaum mehr verständlich sind: Es gibt z. B.
noch keine durchgehenden Züge von Küste zu Küste, besonders keine
Schlafwegenzüge! Eine Eisenbahngesellschaft veröffentlichte eine gro=
ße Anzeige in einer Zeitschrift, daß sie bereit sei, mit anderen
Gesellschaften über die Einführung von Küste-zu-Küste-Zügen zu
Verhandeln u. mit ihren zusammenzuarbeiten!
General Motors veröffentlicht eine ganzseitige Anzeige über
der Autoarbeiterstreik um sich zu rechtfertigen u. die Schuld auf
die EFD zu schieben. Dieser Artikel ist auch sonst soziologisch interessant:
Es wird mitgeteilt daß das mittlere Einkommen der GM-Angehä…[?] *)
Anfang 1941 etwa $57,- wöchentlich betragen habe. Die hätten den
Arbeiterm einen neuen Lohn von ca $63,5 angeboten, den sie
abgelehnt hätten, da sie einen 52-Stunden-Wochenlohn bei einer
[footnote at bottom of page] *) Arbeiten in Stundenlohn!
[page 31]
1945
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�40-Arbeitstunden-Woche forderten. Die Stachfrage nach GM-Erzeug=
nissen sie aber so groß, daß die Arbeitszeit des Krieges, nämlich 45…48
Wochenstunden ausrecht erhalten werden könne. Das Angebot der GM
auf Steigerung des Stundenlohnes um 13,5 cents bedeute einen Lohn=
zuwachs um 33% gegenüber Januar 1941, während die Lebenshaltungs=
kosten nach der Mitteilungen der USA-Regierung auch um 33% gestie=
gen seien. Die UAW-CIO ferdene [?] aber 30% Steigerung der jetzigen
Löhne d. s. ~ 36,5 cents je Stunde.
In einer kleineren Anzeige der GM wird der Milchmann heran=
gezogen, der einer wohlhabenden Hausfrau eine Flasche Milch schenkt.
mehr aufhalst, nur weil die zahlungsfähiger ist als andere Kinder. So
vierhielten sich auch die UAW-CIO gegenüber GM – sagt GM! – sie ver=
langten mehr von GM, da die Firma bessern Geschäfte gemacht haben – das heißt
aber wohl: Gewinnbeteiligugng der Arbeitnehmer, zu der man sich in
Deutschland in einigen Fällen sogar schon durchgerungen falle (Zeiß!).
18. Dezember. – Die Zeitung brachte heute ein schändliches Bild: der
deutsche General Anton Dostler wird in Italien von amerikanischen
Soldaten an einen Pfahl gebunden, um erschaffen zu werden, da
er auf Befahl seines. Vorgesetzten (Kesselring?) die Anweisung zur
Erschießung von 15 amerikanischen Soldaten ohne Kriegsgerichtsver=
[page 32]
30
1945
fahren gegeben habe. Wo hat es so etwas schon jemals in einer
Armee gegeben, daß ein Offizier beim Standgericht gefesselt wurde?
Kann so eine Schmach vergessen werden? Auch der moralische Kredit der
USA dürfte von der Welt nicht unbegrenzt sein!
Am Abend – genau: 19.37 – totale Mondfinsteris! Da der
eisige Wind den Himmel blank sagten war das Schauspiel gut zu
sehen. Die amerikanischen Astronomen waren über das Wetter an=
�geblich beglückt, da sie noch eimem Mond-Satelliten suchen.
Totale Verfinsterung: 2040, ende: 2303.
19. Dezember : Mächtiger Schneesturm; man kann kaum 20m weit
sehen; Der Schnee „fällt“ horizontal#! Die Bostoner zeitungen einnen
den Wetterumschwung mit diesem Bemerkenswerten Schneesturm
bereits „Blizzard“! In Boston sind dabei 2 Menschen umgekommen.
20. Dezember : Heute wird uns nun offenbart, daß wir über die
Feiertage doch hier bleiben! Die Begleitoffiziere werden aus Aberdeen erwartet u. bringen vier unserer Leute mit, die gemeinsam
mit uns nach Fort Bliss fahren sollen. Die Reise in der Weihnachts=
zeit ist den Begleitere offenbar zu unbequem! Sind also die Zei=
tungsanzeigen wegen der Reiseunbequamlichkeiten doch abschrek=
kender gemeint! – Wir beginnen, eine kleine Weihnachtsfeier
[page 33]
1945
31
Zu improvisieren: zuerst durch Wahl eines „Festausschusses“, sodann
durch Ausgeben einer Alkoholbestellung!
24. Dezember. – Ca. 2100 Weihnachtsfeier. Der Leseraum mit seiner
langen, weißgedeckten Tafel, dem Weihnachtsbaum – leider ohne
Lichter, da diese angeblich in USA allgemein wegen der Feuersge=
fahr verboten sind! – u. den vielen Kerzen auf dem Tisch geben
wirklich ein stimmungsvolles Äußeres! Wir beginnen mit einem
Preludium (Largo) von Carnelli, Debus am transportabler Harmoni=
um, ich Geige;- danach „Stille Nacht, helige Nacht-“, gemeinsam:
Wohl das deutscheste der Weihnachtslieder! Übrigens ist dieses Lied
auch das Weihnachtslied der Amerikaner „Holy night, silent night-“;
ob der deutsche Einfluss im Lande hier einmal als guter Geist ge=
wirkt hat? – Hintze – in seiner pastoralen Art wie geschaffen dazu! –
spricht Starte des weihnachtslichen Gedenkens: Entbehren wir doch gerade
�Angesichts von Weihnachtsbaum u. Kerzenschein gerade anz beson=
ders Frau u. Kinder, kommt uns auch besonders der immere Wert
dieser menschlichen Bindungen u. ihre Bedeutung als seelische
Qualle der Gemütskräfte zum Bewußtsein! Möge uns das Schick=
sal gönnen, dass wir zum nächten Weihnachtsfest wieder frohen
Herzens mit unseren Lieben zusammen sind! – GI Meyer – als
[page 34]
32
1945
Vertreter der Morale Section das hiesigen CIC (Counter Intelligence
Corps) hielt eine sage geschickte Ansprache. Es sei seine erste Weih=
nachtsfeier (als Jude), er erhoffe eine Verständigung der Menschen im
Sinne der „Bergpredigt“. Er sprach erst englisch, dann das Gleiche deutsch.
Sonach spielte Dobrick (Geige) mit Debus (Harmonium) eine Sara=
bande von Corelli, u. wir alle drei ein Preludium von Corelli.
Leider hielen in dem außerordentlich stark gedämpften Raum die Stimmen fast
Völlig auseinander! Diese spröde Musik braucht einen sehr starken
Nachhall; wir haben uns durch den gut nachhallenden Übungsraum
sehr täuschen lassen. Heimburg los von Peter Rosegger aus der „Wald=
heimat“ der Abschnitt „der erste Christbaum in der Waldheimat“ vor,
die Geschichte, nach der Rosegger als Student seinem kleinen Bruder
zum ersten Male einen Weihnachtsbaum schenkte, den die Bergbauern
bis dahin nicht kannten, u. der Rosegger selbst erst in Graz kommen
gelernt hatte. Im „lustigen Teil“ brachte Weidner seine treffende
Satire „Rasiermesser scharf!“, bei der besonders das bedrohliche An=
steigen des „Hormonspiegels“ gebrandmarkt wurde. Danach trugen
Friedrich u. Heller eine „Scheitzelbank” vor, bei der jeder vor
den Spiegel gestellt wurde. Besonders gelungen waren die Werte
über Rudolph (Zähneputzen u. Pinkeln in die gleiche Rinnes zu gleicher Zeit) u. über
[page 35]
�1945
33
Lindenberg (Nächtliches herumgeistern im Hause, da die Uhr versagte).
Auch die Naschereien auf der Tafel waren weihnachtlich! Stollen,
Nüsse, Obst, Rotwein! Das Merkmal dieses ersten amerikanischen Wei=
nes, den wir genossen, war der Alkoholgehalt, der Geschmack war kaum
Ausgesprachen. Erst ½ 2 Uhr gingen wir auseinander! –
25. Dezember. – Die „New York Times“ vom Heiligabend brachte
eine nahezu erschütternde Anzeige, ein Ausruf zur Hilfe für die
deutscher Kinder „im Namen Jesu Christi seinem Geburtstage!“,
diese Anzeige ist erstaunlich aggressiv: Es werden die Woche Jesu wurde=
gestellt: „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis
gibt, dem wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den halb ge=
hängt u. er in die Tiefe des Meeres versenkt würde!“ (Matth. 18,6).
Die weiteren hauptsätze sind: „Die Kinder Europas sind verdammt
zu sterben – ijn Massen zu sterben in diesem ersten Jahr des „Friedens“!
- Alle Kinder sind unschuldig an disem Kriege! Amerika kennt
keine Feindeskinder!” – Im Nahmen Jesu Christi, unseres Eretters,
rufen wir an diesem Weihnachtsabend zum amerikanischen Volke.
1) Wacht Eingaben an Eure Senatoren u. Congreßmänner, daß ganz
Europa, einschließlich der Axenländer, der Amerikanische Helfe zu=
öffnet wird.
[page 36]
34
1945
2) Verbindet Euch mit uns, um eine Bewegung der amerika=
nischen Familien ins Leben zu rufen, die den Gegenwert
einer Mahlzeit in der Woche opfern für die Errettung der euro=
paischen Kinder, ohne Rücksicht auf Rotte, Startsangehörigkeit oder
Glaubensbekenntnis.
3) Senden Sie uns Ihren Stamen u. Anschrift….usw….
�Unser zukünftliger Frieden kann allein durch diejenigen
erichtet werden, die heute noch Kinder sind. Von unsere
barmherzigen Liebe zu ihnen wird ihr Vertrauen zu den
sozialen, politischen u. religiosen Grundsätzen abfängen, diesen
wir zu dienen uns bekennen.
Dieser Aufruf ist herausgegeben von Männer u.
Frauen aller Glaubensbekenntnis u. Überzeugungen
des amerikanischen Christenheit – in Achtung unseres Er=
lösens, der uns beten lehrte:
„Unser täglich’ Brot gib uns heute“.
Mägen der Frieden u. der Liebe Gottes zu unser Weihnacht unsere Herzen ergreifen, u. uns leiten Seinen
Willen zu tun!”
[the above is an article translated from the New York Times; original could not be found]
Diese Aufrüttelung des menschlichen Gewissens läßt doch einer schwa=
[page 37]
1945
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chen Kraft von Hoffnung u. wohl auch von Genugtuung in unsere Her=
zen scheinen! Auch sonst sind schon mehrfach Pressestimmen zu finden,
die die Zustände, besonders in Ostdeutschland, als unhaltbar bezeichnen
u. die schleunige Hilfeleistung mit Lebensmitteln, Kleidung u. Me=
dikamenten fordern. Ein bescheidner Weihnachtstrost!
27. Dezember – Dr. Richter, der „dienstälteste“ Deutsche Wissenschaftler
in Fort Strong (seit 28. August her!), hielt uns einen sehr gut auszu=
arbeiteten u. erfreulich konzentrierten Vortrag über dem Hand der
immer = u. außenpolitischen Lage der USA. Das Material lieferte ihre
ein sehr sorgfältiges Zeitungsstudium. Dr. Richter hat sicher ein gutes
Urteil, er ist auslandskundig, da er beim Auswärtiges Amt tätig
vor u. im Sonderauftrag v. Ribbentrop sim Japan gearbeitet hat. Er führte
�aus: Seit 12.4.45 (Roosevelts Fed) befindet sich USA in einer Latenten [?]
innerpolitischen Krise. Der Einsluß der Persönlichkeit Roosevelts ist weg=
gefallen, u. Truman ist nicht fähig, durch seine Persönlichkeit mitreißend
u. ausgleichend zu wirken. Truman ist ein sehr gewissenhafter u. fleißiger
Arbeiter, aber er hat keine zündenden Ideen, u. er wird inner= u.
Außenpolitisch nicht erst genommen. Durch die siegreiche Beendigung
Des Krieges sind den USA schwere innerpolitische Probleme erwachsen,
Auflösung der Wehrmacht, Wegfall der Kriegsproduktion, durch bei=
[page 38]
36
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hohe Arbeitslosenzahl. Mitte 1946 wird USA-nach Schätzungen
Dr. Richters-günstigstenfalls 5 Millionen, ungünstig stenfalls [?] 10
Mill. Arbeitslohe haben! Die innerpolitische Frage lautet: Werden
diese Arbeitslohen sich politisch organisieren u. er. die dritte große
Partei belden? Anzeichen dazu sind vorhanden. Diese Entwicklung
wird begünstigt durch die politische Unklarheit, Wankelmütigkeit,
u. Ratlosigkeit der beiden bischerigen großen Parteien. Die
zahlerichen gegenwärtigen Streiks, besonders derjenige der Autoarbeiter,
bedeuten nach Dr. Richter ein Abfassenn der gegnerischen politischen
Kräfte (auch in hinblick auf die Präsidentenwahl 1948) u. der
Wunsch der Amerikaner, sich nach den Kriegsanstrangungen erst
mal gründlich aus zurufen! Wirtschaftlich kann sich die Arbeiter=
schaft die Streiks sicher leisten, da ja alle sohn Kriegsersparnisse
haben. Insofern warden die Streiks von der Regierung auch bis
zu einem gewissen Grade gedulded, da sie eine stille Kaufkraft=
abschöpfung bedeuten. Im übrigen meint Dr. Richter, daß die For=
derungen der Autoarbeiter (30% Lohnerhöhung) sicher erfüllt würden, gleichzeitig würden aber die Lebenshaltungskosten um 30 stei=
gen, d. F. „kontrollierte Inflation“!
�Truman’s Aussichten 1946 wiedergewählt zu warden sind schlecht!
[page 39]
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Er verfolgt Politik des „seek of securities“, D. H. schließlich eine
Sozialpolitik: Recht auf Arbeit, auf hohen Lebensstandard, auf Gesundheits= u. Altersversicherung, auf gute Wohnungen usw.! Dagegen agitiert
der Gouverneur Stassen (
): das USA-Volk sei durch
Abenteurer, Erfinder, Entdecker u. sonstige risikofreudige Leute
groß geworden! Solche Leute seine jetzt nötig, um USA vorwärts zu brin=
gen! Stassen habe großen Zulauf u. entsprechende Chancen für die Präsiden=
tenswahl.
Außenpolitisch scheinen USA wieder dem Italienismus zuzuneigen
daher die auch Dr. Richter hast unverständlichen Beschlüsse auf der Moskauer
Konferenz der Außenminister, die gerade heute bekannt wurden: USA
heilt sich in die Besetzung Japans mit drei anderen Mächten (Rußland
England, China) u. gibt einen großen Heil seiner außenordentlich gün=
stigen Stallung in China preis. Halte sich nämlich Tschiangkaitschek
Stelle 45 in seiner Slot zum ersten Male für eine der kämpfenden
Großmächte entscheiden müssen, der Nutznießer war USA! Auch die
forcierte Rückkehr der GI’s von den Kriegsschauplßtzen, die geradezu
zur Monie geworden ist u. innenpolitisch u. wirtschaftlich erhabliche
Schwierigkeiten hervorruft liest wohl in der Linie das Italalionismus
Welche Politik würde Roosevelt in dieser Lage betrieben haben u. wird
[page 40]
38
1945
Truman, trotz allem, später noch einmal Recht bekommen, daß
er die politiren Seiten das Rooseveltschen „New Deal“ wird er zu
beleben versucht?
28. Dezember. – Da die „Morale Section“ (Meyer, Balm) zu ver=
�Sagen scheint oder nicht wahr „mag“, veranstalten wir untere
„geistigen Schulung“ selbst! Am 26. 12. übersetzte Ther Sturm aus „Ridger
Digest” eine amerikanische Schildenung des Deutschen U-Boot-Kriegs,
Geschrieben von einem amerikanischen Kriegsberichter, der als beson=
ders zuverlässig u. technisch sehr gut informiert gilt. Obwohl es diesem
Amerikaner sehr, sehr schwer fällt, die überragenden Leistungen
der deutschen U-Boot-Männer offen u. ehrlich anzuerkennen, ist doch
der ganze Bericht für objective Leser ungewallt diese hochklingende
Anerkennung selbst! Welchen Aufwand haben doch die Amerikaner
treiben müssen, um der U-Boote her zu werden! Die deutschen aku=
stisch-zielsuchenden Torpedos (Schraubengeräusch!) wurden durch Stör=
schallquelleir, die im Platter abgesetzt wurden, bekämpft, jedoch ohne
durchschlagenden Erfolg. Die grußten Erfolge halten – wie bekannt – die
Amerikaner dutch ihnen Luftwaffeneinsatz mit „Radar“-Geräten. Dönitz
habe darauf völlig verkampft, in der unsinnigsten Steife reagiert:
er habe die U-Boote stark mit Flak bewaffnet u. der Booten der
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Überwasserkampt gegen die Flugzeuge befohlen! Dem Erfolg dieses
unsinnigen „Heroismus“ halten eindeutig die Amerikaner! Durch
die „Schnorchel“ (an der Plattenoberfläche schwimmende Luftansaugeu. Auspuff-Tonne) seien die deutschen U-Boote wieder zu einer
ganz gefährlichen Platte für die Alliierten geworden! Noch mehr hätten die
H2O2-Verbrennung u. Dampfturbinenantrieb, wodurch eine außer=
Ordentlich hohe Unterwasser-Geschwindigkeit ermöglich wurde, zum fin=
satz gekommen wäre! Der Berichter erkennt jedenfalls eindeutig
an, daß die deutschen U-Boot-Technik weitaus fuhrend war; er be=
stätigt dies mit seinen Schlußworten: „Wenn ‚es‘ die Deutschen jemals
wieder versuchen werden, so werden sie ‚es‘ mit U-Booten versuchen!“-
�die Tragödie began nur oben auch hier wieder mit den fehlenden
Stückzahlen!!
30. Dezember – Überfüllte züge, überfüllte Schulen, fehlende
Wohnungen! Das sind die Probleme, an denen USA wegen das GIRückkehr-Fiebers zu kracken hat! Das Wohnungsproblem ist wohl das
Schwierigste. Man errichtet eiligte aus Wehrmachtsbeständen Baracken=
leger („Temporary buildings“!), um der grösten Slot abzuhalten. Die
bauleute entwerfen mächtige Wohnhachhäuser in New York Z. B. für
[page 42]
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1000 Familien! Führten unter Architekt findet diese Lösung sehr
zweckäßig, da nur auf diese Weise ein aufgelockertes Wohnen
auf nicht unsinnig großer Wohnfläche – das eigentliche Problem
aller Millionenstädte!- möglich sei.
31. Dezember – Sylvester! Wir finden uns um 1900 zusammen,
nachdem unsere Gedanken u. unser Gedenken schau um 1800 im
Stillen nach osten zugangen war! Die ersten 3 Studen (!) wird
Nach einer Idee von Tischl „Monopoly“ gespielt (in 3 Gruppen), ein
Würfelspiel mit erst amerikanischen Finanz-Transaktionen 2200
beginnt der „festlich“ Teil, als „Stoff“ wird Glühwein geboten. Weidner
bringt wieder eine selbstverfaßte Satire, dies mal über Schnarchen
u. katschende Gummikauen. Mühlner entzuggt sich als ein erheblich
talentierter Pegasusreiter, mit z. t. reizenden Gedichtchen über
alle möglichen, allzumenschlichen Themen des Lebens. Auch Husch u.
Ringelnatz zitiert er. Gündel bietet eine Fuchsenmimik: „Hoar=
künstler“, ausgezeichnet gelungen. Fischel bringt in Versen das Ra=
gout unserer bisherigen Amerikafahrt, eerstaunlich, was man in so
wenigen Wachen bemerkens wartes gemeinsam erlebt! Es wird alles
sehr launig von ihre vorgenommen auch „Sohn des Kalts, Meyer u. Colm
�halten nicht! Den Glanzpunkt bildet werden die Rade von Dr. Richter,
[page 43]
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Eine „historische“ Betrachtung über die Insel „Long Island“, deren Be=
wohnen wir z. zh. sind. Besondern Beziehungen zum Südostteil der Insel
(der für uns gesperrt ist) wurden vermutet, den dort befindet sich eine
- Irrenanstalt! Die Geschichte wird später selbst entscheiden, ob sie in
Bezug auf uns diesen Trennungsstrich zwischen den beiden Inselhälf=
ten noch weiterleben lassen wird!! Um Mitternacht troten wir vor das haus:
vom bunt leuchtenden Boston tönten die Neujahrsglocken herüber,
doch ein heimatlicher Klang! Dr. Richter sprach die Worte des Neujahrsgeden=
kens: Wir erhoffen vom Schicksal, daß das neue Jahr nicht so viel schreckliche Bitterkeit bringt um das vergangene! – Um 100 war uns „Polizei=
stunde“ geboten; es war auch gut so, den selbst diese geringe Menge
von Alkohal zeigte schon „enthemmende“ Wirkungen!
1. Januar. – Ein prachtvoller Sonnenaufgang am Neujahrsmorgen
Über den Inseln unseres Archipels! Ist das ein gutes Omen für das neue
Jahr? = Auch heute ist das landesübliche Spezialgericht wieder „Turkey“
(Truthahn). Nachmittags halt GI Lederer (die ganze Morale Section ist an
Land!!) eine englische Konversationsstunde über Unregelmäßigkeiten
der englischen Sprache. Er in seinen Ausführungen (er scheint sprachlich
sehr interessiert zu sein) doch etwas mehr Niveau als Meyer u. Coltts.
[page 44]
42
1946
2. Januar. – Wir laufen wöchentlich etwa 4 Mal ins Inselkino.
D. F., wenn wir deutschen Maßstäbe anlagen würden durften wir über=
haupt nicht hingehen! Sprache ist kaum zu vorstehen; einenteils, weil
die amerik. Schauspieler offenbar kaum eine Sprachtechnik u. Sprach=
�kultur (Lautstärke!) haben anderenteils, weil die Akustik des Ver=
führtaales miserabel ist, u. ob die Tontechnik (Filmstreifen Wieder=
gabegeräte unseren Ansprüchen gemögen, ist noch nicht entschieden. Die
Filme geben aber sicher guten Ausschluß über die Geistesverfassung
der Amerikaner, zudem über ihre täglichen Sitten u. Gebräuche. Also lohnt
der Kinobesuch vielleich doch! – Die Filmlibrettos waren ja auch in
Deutschland meist sehr unbefriedigend, daß man sie nicht als Vergleichs
maßstab möhlen zumindest aber nicht über-bewachen sollte. Immere
hin, auch die amerik. Kritik beurteilt die Librettos zu 95% als dunne
u. geistlos! Das interessanteste Objekt ist natürlich die Frau! Sehr
Kennzeichnend: der jugendliche Liebhaber wird fast immer als Trot>
tel eingestellt die Frau hat das heft fast immer in der hand, zumindest
in „Gesellschafts“-Filmen.
Da offenbars sich nun eine geradezu pervers ausgeartete Prü=
Derie die wohl von bigotten Puritanismus herrührt. Die Frau ist der
Mittelpunkt des „außergeschäftlichen“ öffentlichen Interestes, u. es
[page 45]
1946
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wäre merkwürdig, wenn des Geschlechtliche in diesem Intereste nicht einer
ganz wesentlichen Anteil hätte; im Gegenteil, man hat oft den Eindruck
daß alles in den Frauen durch die Brille des Geschlechtlichen gesagen
wird!
Der heutige Filme „The Harvest Moon“ (o. d.) bestätigte des wiederum.
Weibliche Hauptrolle: Ann Sheridan, eine auch nach unserem Ideal
ungewohnlich schöne Frau, die zudem von der Amerik. Kritik als geistig
besonders auf der Höhe bezeichnet wird. Dieser Film enthielt im wesent=
lichen die eine der drei Arten der Prü geschlechtlichen Perversitätx) in
Amerika: die immer nur scheinbare Verhüllung der weiblichen Nackt=
heit: die Entblößung der Brüste wird genau bei den Brustwarzen anstö=
�ßig!! Diese Einstellung grenzt schon bald ans Lächerliche: der weibli=
che Körper kann noch so weit entblößt sein, wenn nur, zumindest
symbolisch, die Brustwarzen verfüllt sind, u. z. entweder z. b. durch
einen ganz schmalen, hauchdünnen, durchsichtigen Schleier, od. z. b.
in einem besonders lächerlich erscheinenden Falle, in dem auf
das Aktmodell eines Maler sein Schlagschatten fällt, der Haarscharf ober=
halb der Spitzen der Brüste aufhört. Fast bei allen gesellschaftlichen Be=
kleidungen u. bei den Brustsüchere der Badekombinationen wird ein
x)
oder indifferenter gesagt: des ungemein öffentlichen Interesses an
geschlechtlichen diegen
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44
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wesentlicher Teil der Brüste freigelegt , besonders vom Brustbein
bem aus gesehen (extrem tiefer „V“-Ausschnitt („deep V-front“)
u. „hour-glass expose” („Sanduhr”-Ausschnitt) bei Brustsüchern). S.a. 11.12.45.
Die zweite Art der Bigotterie in den Filmen ist die „NachthemdAtmosphäre“. Die Nachthemden sind natürlich entsprechend extravagant
(ritte deep V-front!). Es gibt weibliche Hauptrollen die den selben
Film lang im Nachthemd herumlaufen! Besonders beliebt: Tüll-Nachtgewördet.
Die dritte Aus des intensiren öffentlichen Interesses an weiblicher
Geschlechtlichtkeit ist die breiteste Darstellung der Formung des Frauen=
Körpers durch Büstenhalter u. Hüftgürtel in der gesamten Presse.
Bis ins Kleinste wird die entsprechende „Technik“ dargestellt, die
Mittel zur Erzielung des „youthful uplift“ u. des „stay [put] up top”
usw. Ja, sogar die männliche Geschlechtlichkeit wird so vorgestellt:
Reklame für Unterwäsche mit dem „gentle, all important support,
Men need – thanks the dart-stitched pouch!
Das ganze ist die intensivste, nur zu instruktion Beweisle=
gung für die Theorie der verdrängten Komplexe!!
�Auf der anderen Seite geben die Filme auch einlauchtende
psychologische hinweite auf die Fragwürdigkeit der amerikanischen
Ehen! Ich habe den Eindruck, daß darin wahrscheinlich die mangel=
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hafte, d. h. unzureichende Liebestätigkeit gerade das englischabstam=
menden Teils der amerikanischen Frauen schuld hat, denen die notwen=
dige Gemütstiefe fehlt. Diese Frauen sind zwar monnsüchtig (Nordvöl=
ker!), aber empfindungsschwach, daher die insertierte Sexualität, die
ihr geistiges Ventil in Scheinheiligkeit u. Prüdenie hat. Die (möglichts
mehrfachen!) Ehescheidungen u. Wiederverheiratungen werden in
der Presse als gesellschaftliche Ereignisse behandelt die offenbar mora=
lisch durchaus konzenssiert sind. Uns erscheinen sie als legalisierte
Polygamie. Die moralische Schwäche der amerikanischen Ehen wird
auch in der Presse starke diskutiert, u. von kritikfähigen Frauen
wird den Frauen selbst die großte Schuld gegeben: Sie beruhten [?] sich
gar nicht, eine Ehe zu gestalhen u. wollten zu viel, möglichte daueru,
mit irgendwelchen „Unternehmen“ (Kind, Tanz, Gesellschaften usw.) „be=
schäftigt“ werden.
7. Januar – Unsere Postanschrift wird geändert! Das War-Department,
d. h. die zentrale in Washington wird ausgeschaltet, die Post geht an ein
Schließlisch des kommandierenden Offiziers in Boston! Haftentlich ist
Das ein wesentlicher Schrift zur Besserung!
Wir haben dem GI White (Jude) zur ersten, gemeinsamen Englisch=
stunde angeheuert, 90 Minuten für 3 Dollar!
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46
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8. Januar. – Das heutige Kino brachte im üblichen GI-Senderfilm
übe einen Abschnitt über eine Schwimmeisterin (offenbar im
�Crawle) in Los Angeles mit ganz hervoragenden Aufnehmen. Diese
Luftfülle! Das Mädchen hatte einen ästhetisch sehr ansprechenden,
athletischen Körper (bei Frauen wohl eine große Seltenheit) u. schwamme
Einen hervoragenden Stil. Besonders schön u. technisch bewunderes=
wert waren die Aufnehmen von oben in das Wasser hinein (Wieder=
auftauschen nach dem Sprung), ferner die zeitlupenaufnehmen vom
Wenden unter Wasser. Die technische Quälität dieser Bilder war sehr
Auffällig gegenüber der sonst moistens mangelhaftenden Aufnehmetechnik.
Leider wurde die Erinnerung an diese schönen Bilder durch die nach=
folgenden Boxkämpfe (10 Runden!!) sehr beeinträchtigt!
Nach unserer Rückkehr vom Kino geb es doch eine erhebliche Über=
raschung für uns: 4 Kameraden aus Aberdeen waren gekommen
(Steubart, Schwidetzki, Poppel, Jungert). Die brachten insofern keine
guten Nachrichten mit, als sie den Eindruck gewonnen hatten daß
daß die Arbeiten von der Aberdeener Dienststelle des War Depart=
ment sehr schleppend behandelt werden. Hast alle Leute, die in
Deutschland mit uns verhandelst hätten, seien nicht mehr da;
besonders ungünstig sei die lange Krankheit von Oberst [?] Toftoy.
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Andererseits mochten uns die Aberdeener neidisch, da sie dort
erhebliche Bewegungsfreiheit hatten. Die konnten zum Wochen=
ende öfters nach New York fahren (in GI-Begleitung), wo sie
sich ganz selbstständig bewegen konnten. Schwidetzky konnte
z. B. bei seinem Schwager Weihnachten feiern! Auch Washing=
ton, Philadelphia, Baltimore konnten sie auf diese Weise ban
nen lernen.
9. Januar – Eine Zeitschrift („American“) brachte einen Auf=
satz eines in Europa gewesenen GI, in dem er die amerikani=
47
�schen Frauen mit den europäischen vergleicht. Obwohl dieser Auf=
satz-wohl selbstverständlich?- sehr viele Selbstgefölligkeiten ent=
hielt, brachte er doch auch eine ganze Reiche interessanter Beobach=
tungen u. charakteristischer Merkmale. Er lautet:
„Amerikanische Mädels sind schick aber…“
Von Sgt. John P. Dol…[?].
(Ein Herenssergeant, der in Europa kämpfte, riskiert sein
Leben wieder in einem freimütigen Vergleich fremder
Frauen mit amerikanischen Mädels).
„Es ist nicht wahr, daß alle Tischgespräche der Männer in
Baracken sind am Ende um Frauen diesen, aber neulich abends
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1946
war es wieder einmal so. Wir waren etwa 8 von uns, u.
wir waren alle mehr als ein Jahr über See gewesen, einen
Teil der Zeit in England, einen Teil in Frankreich.
Wir verglichen amerikanische Frauen mit denden, die
Wir auf dieser Seite des Atlantik gesehen hatten. Da gab es nicht
viel Streit; Denn, seltsam genug, wir stimmten in nahezu jedem
Punkte überein. Und wir ließen nicht viel aus: Aussehen Reiz,
erotische Anziehungskraft, Unterhaltung, Erziehung, u. Fraulich=
keit, was es da alles gibt. Sogar die Stimmen (wir stellten hast,
besonders, nachdem wir englische Frauen hatten sprechen hören,
daß amerikanische Mädels etwas zu hoch, herb u. näselnd sprechen).
Was das Aussehen anbetrifft, hatten wir keine Sorge.
Das amerikanische Mädel steht dabei an der Spitze. Es sieht gerade
in seiner Natürlichkeit besser aus, hat eine bessere Figur u. bessere
Beine. Viel bessere Beine! Sie ist auch besser gepflegt; sie verwendet
ausgezeichnete Sorgfalt auf ihre Haare u. Zähne, was so viele englische
�Mädels nicht tun. Die Französin kommt als nächte, sowohl im natür=
lichen Aussehen wie in der Pflege. Sie hat eine natürliche Gebe im
Schminken; Sie es ist fein u. natürlich auszuhend, u. niemals zu auf=
dringlich. Es muß ihr Stunden kosten, aber es lohnt.
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Das amerikanische Mädel ist auch das best-gekleidete. Es hat
einen edlen einfachen Geschmeck bekommen, den wir nirgend=
wo anders gesehen haben. Zum Teil wohl, weil wir gelernt haben,
gute Kleider in Massen herzustellen, die außerdem billig sind.
England hat das noch nicht gelernt (obwohl amerikanische Klei=
dung dort einen außerordentlichen Treffer gemacht hat) u. die
englischen Mädels neigen zu Tweadkleidern u. mäßigen
Schuhen u. Kleidern u. das paßt zu niemandem gut.
Das war sogar in Friedenszeiten wahr u. der Krieg hat das
weit, weit schlimmer gemacht, u. dafür könnt Ihr des englische
Mädel natürlich nicht tadeln. Jetzt ist es meistens unmöglich für
Sie, sich neue Kleider zu kaufen. Im Vergleich dazu hat das durch=
schnittliche amerikanische Mädel eine Kleiderausstattung, um
die sie eine englische Millionärsfrau beneiden würde.
Bei den Französinnen ist auch alles in Ordnung wenn es
zur Kleidung kommt. Der Krieg hat sie auch erheblich eingeschränkt,
sodaß viele nur ein einziges neues Kleid im Hoher gehabt haben,
wenn das überhaupt! Aber sie hat eine höchst erstaunliche Fahigkeit,
ein alles Handlung u. einige alte Fensterarhänge zu nehmen u.
sie in überwältigende Kleider zu verwandeln. Und ich übertreibe
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Nicht: einige von ihnen benutzten tatsächlich solche Materialien.
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�Eines Abends beobachtete ich ein französisches Mädchen, das, ge=
radezu Halstuch nehm u. in 5 verschiedenen Arten von Kopf=
bedeckungen für sich selber knotete! Jede verschieden u. jede
sehr anziehend.
Einmal verließen wir die Punkte des Aussehend u. der Klei=
dung, u. begaben uns auf ein anderes, ziemlich Dünnes Eis.
Steil, z. B., wir darin übereinstimmten, daß in den englischen
Mädels eine gewisse Einfachheit u. Echtheit ist, an die wir uns bei
unseren Mädels zu Heute nicht erinnern können. Was auch immer
der Grund ist, wir lieben das.
Meine Erinnerung mag schwach geworden sein, aber ich
Scheine es mir zurückzurufen, daß eine Menge amerikanischer
Mädels dauernd die Zeit vertrieben haben möchte. Die sind wie
Ein Theaterpublikum-ungeduldig, wenn ihre niemand ein
gutes Spiel versatzt. Sie wünschen zum Tanz mitgenommen zu
werden, oder ins Kino oder zum Dinner, irgend etwas mußte
immer las sein.
Dann verglich ich dieses mitdem allerersten Rendezvous,
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das ich in England hatte. Wir gingen einfach in einen Park spazie=
ren, dann fielen wir in eine Gastwirtschaft ein, um einige
Biere zu trinken. Die gesamten Kosten: 70 Cents! Vergnügen?
Wir erzählten uns eben! Das ist billig u. ist die beste Werterhaltung
der Stalt. Ich fühlte nicht, dass ich sie gehindert hätte, sich zu ver=
gnügen. Sie tat so viel dazu mich zu unterhalten wie ich es für
sie tat. Es war einfact u. natürlich u. echt, u. ich glaube ich genoss
es wahr al seines der üblichen Hochgespannten teuren Rendezvous,
die ich in dem Staaten hatte.
51
�Etwas anderes, was wir an den englischen Mädels schätzten,
war, daß sie wüßten wie der Krieg wirklich ist! Wir fühlen uns
zu den englischen Mädels hingezogen wir zu den anderen Kame=
raden sie mi tuns durch die gelichen Schlechten gegangen waren.
Ich befürchte, dass ich nicht das Geliche bei den moisten der ame=
rikanischen Mädels fühlen würde, obwohl es nur gericht ist zu
sagen, daß dieses nicht ihre eigene Schuld ist. Die wurden nicht
zum Ersatz für das Kriegshandwerk herangezogen, u. natürlich
war ihnen der Krieg nicht so nahe wie den englischen Mädels, wo=
für wir Gast danken.
Ich flaube, es ist Tatsache dass wir einen großen Respekt
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bekommen haben vor der Art u. Weise, wir die englischen
Mädels dem Kriege sich Auge gesehen haben. Sie sind wahr
durch die Hölle gegangen als sie die meisten Soldaten je gesehen
haben. Sie sind durch den Terror der „Blitze” gegangen; sie haben
Leichen aus zerborsten Häusern gezogen; sie haben der Feuer=
wehrmännern Tee gebrocht, so ruhig, als wären sie in einem
Salon. Sie sind gestorben bei der Geschützkontrolle, u. sie haben
Alle Arten von schwierigen u. gefährlichen Ausgeben erledigt.
Auch das französiche Mädel ist durch den Krieg besonnen
(sobered) geworden, aber in einer anderen Steife. Es hat es
Gelernt, was es heißt, besiegt zu sein, mit dem lächelnden Fei…[?]
der über die Straßen Frankreichs Stolziert. Sie kennt den Hunger,
der fast an das verhungern grenzt; sie hat Grausamkeit gesehen,
so furchtbar, daß viele Amerikaner lange Zeit brauchten um sie
zu glauben; sie hat dem „Untergrund” mit dem Risiko ihres Lebens
gehalten; sie hat Armeen erlebt, die in ihrem Hinterhof u. überall
�in ihrem Heime hochen. Sie weiß es auch, was Krieg ist…..
Als die Männers…gung [?] weiterging, ließen wir unsere Haare
sängen u, gestanden uns freimütig eubm daß auch wir uns drau
ßen mehr schmeichele ließen, als wir das je zu hause getan se=
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ben u. wir waren Schlau genug, um das zu genießen es ist
etwas schwierig zu erklären, was ich mit „schmeicheln” (flatter)
meine.
In europäischen Länden wird der Mann als etwas mehr be=
trachtet als der tonangebende Mann, der er in Amerika ist. Die
Frauen wachen ihm mehr auf; sie bringen ihm die Pantoffeln;
Sie gehen von ihrer Eigenart ab um ihm zu gefallen, - im Essen, in
der Bequemlichkeit, u. in anderer Speise. Das ist besonders in Kranke
reich wahr.
Jedoch verstehen Sie mich nicht falsch! Ich glaube dass die amerika=
nische Vorstallung einer 50:50-Partnerschaft zwischen Mann u. Frau
die weit gefündere u. weit bessere ist. Falls ich heiraten (wenn mich
nach diesem überhaupt noch eine haben will!), so erwache ich, dass
es nur auf einer 50:50-Basis sein wird. Ich will meine Pantoffel selber holen [?]! Und ich stimme nicht mit dem Europäern überein,
Daß die Amerikaner unter dem Pantoffel stehen [1 word illegible], daß sie durch
ihre Frauen eingeschüchtert sind. Mein einziger Gesischtspunkt
ist der, das es nichts schadet, ein schlecht dieses „Aus Weibgenschlap=
pen” (korvtareing [?]) für die Männer theoretisch auch sein mag, in
der Praxis ist es verdammt vergnüglich.
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Wir fühlen uns auch geschmeichelt da die Mädels draußen
�unseren amerikanischen Sinn für humor lieben. Die scheinen
zu denken da immer alles, was wir sagen, so witzig ist wie ein
„hoffungsglockenschlag” (Bob Hope crack). Wieder zu hause natürlich,
Werden die Mädels mit sehen Art von Geschwätz behandelt, und es
Macht nicht viel Eindruck. Ich glaube, wir würden zugrunde gerichtet
(spoiled)!
Die britischen Mädels lieben es besonders, wie wie sie kom=
plimentieren. Anscheinund komplimentieren sie die englischen
Männer nie sage, u. sie antworten darauf, wie es die Blume
gegenüber der Sonne tut.
Es scheint uns, daß die amerikanischen ausländischen Frauen mehr
„fraulich” sind als die amerikanischen, u. das ist etwas anderes,
Was nicht leicht zu erklären ist. Es ist nicht notwendig eine Ort
des Aussehend, der die englischen Mädels, z. b., sich mehr männlich
kleiden u. handeln als die amerikanischen. Ich glaube, das hat et=
was zu tun mit dem was ich einige Abschnitte weiter eben sagte,
wie die Frauen sich anstellen, um den Männer zu gefallen. Sie
betrachten sich als völlig verschieden von den Männere, besonders
in Frankreich. Wir haben gefunden daß es hübsch ist für Frauen,
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Frauen zu sein! Gerade so sind sie nicht zu hilflos.
Das führt uns zum geschlachtlichen Reiz! H-m-m-m-m-m!
Es ist schwer zu erörtern, da noch kaum jemand genau dargestellt
Hat, was esr eigentlich ist. Wie auch immer, wir schätzen die Franzö=
sinnen als erste, die Amerikaninnen als zweite, u. die Engläder=
innen als dritte.
Die Französinnen haben ein gewisses „Luft in ihren Augen”.
Ich hatte es, solche fahle Phrasen zu gebraüchen, aber das trifft es
55
�genau. Die werden nicht das gleiche Luft in amerikanischen oder
englischen Mädels finden. Die Augen der französinnen blicken
tatsächlich anders, als ab eine Art von Lebensfreude („joie de
vivre”) durch schiene. Es ist peinigend, launisch u. Neugier
erregend. Da ist geschlechtlicher Reiz in allen ihren Gesprächen. Sie
haben eine Gabe Leichter Schlagfertigkeit (schneller Entgegenung),
die ausschweifend (gay) u. gewagt ist, als spielten sie das bezau=
berndste Spiel der Welt – das Spiel, eine Frau zu sein – u. genie=
ßen es. –
Wenn wir zur Erziehung weitergehen, haben wir die „blauen
Streife” am amerikanischen Mädel. Von einer Sache sind wir
überzeugt, nämlich, daß die USA weit u. breit das beste Schul
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system der Welt haben. Wir haben nirgends eine Frau getroffen,
Die im allgemeinen so gut unterrichtet ist wie die, die wir zu Hause
gelassen haben. Für eine ersthafte Unterhaltung (abseits von
Kriegsgesprächen) werden wir jederzeit das amerikanische Mä=
del wählen, oder mindestens für die meiste Zeit.
Die Amerikanerin scheint auch verantwortungsvoller
u. ersthafter gestimmt als das frazösiche Mädel, dann es
gibt Zeiten, in denen das luftige u. peinigende (tantalizing)
Gespräch von Paris nicht genugt. Es ist schön für ein Rendezvous,
aber für eine Frau….
Der Krieg hat uns unsere erste Gelegenheit gegeben, das
amerikanische Mädel mir anderen zu vergleichen. Und, wie
wir gezeigt haben, entdeckten wir einige Dinge draußen, die
wir glauben bei unseren Frauen zu heute nicht zu sehen.
Aber wir zweifeln, ab sich das amerikanische Mädel vielän=
�dern wird, u. wir sind uns auch nicht sicher, dass wir uns das
wunschen, selbst wenn sie nicht ganz vollkommen sind.
So endete die „Männer-Sitzung” (bull-session) gerade, als
Wir alle erkannten, daß es so ist. Einige sagten: „Ja, aber gerade nach
all’ diesen guten Eigenschaften diser Babys draußen, welche Art
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von Mädchen würdet ihr heiraten? ”
Und natürlich sagte alle 7 von uns „amerikanische”, u. kei=
Nen etwas anderes. Der achte Mann war an ein britisches Mädel
verheiratet u. sehr glücklich. Der erste von uns war bereit, in Augen=
blicke zur Freiheitsstehen zu reisen – u. mögen andere Frauen noch
so gut sein.” [This is a translation of an article taken from the American Magazine; No original source
was found.]
10. Januar. – Heute mittag fährt Theo Sturm nach seinem neuen
Stickungskreis; Fort Washington aus Long Island. Dort soll er
wohl für die Navy arbeiten. Er hofft, später von Prof. Galey (M.F.J.)
doch noch in die Laboratorien das Signal Corps, New Jersey, gehalt
zu werden.
Nachmittags wird unsere Großgepäck abgehalt u. in Boston auf
Die Bahn nach Fort Bliss gegeben.
11. Januar – Heute wird die Weiterfahrt nach For Bliss also doch
Wirklichkeit! Nach einem frühen Abendessen u. unter zurücklassung
des armen Debrick, der mit einer Fistel auf der Oberlippe u. Fieber
im Bett liegen muß, brechen wir 1645 auf. Es ist eine kalte, klare
Abenddämmerung, als wir in das Boot steigen. Durch unseren Lichter=
betäten Archipel – in dem Long Island, dassen wesentlichen Teil doch
der Hügel mit dem ausgedehnten Hospital ist, bald verschwindet[page 60]
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steuren wir rasch dem Hofen zu. Noch einmal bekommen wir
einen eindringlichen Eindrucke von der Ledeutung Bostons als
Hofen! Solche zahl von Kriegsschiffen, vor allem zerstöres! Auf der
anderen Seite der weiten, dichtbesiedelten Bucht hellerleuchtete
Schiffswerften. Der „Winkel” der Buchte in den wir hineinfahren,
ist von den Hochhäuser sicht umstanden. Ein nahezu unwahrschein=
liches Bild, diese vieltenstrigen, erleuchteten hohen Fronten, bald
wie eine Theatersilhouette. Nach einem schwierigen Anlegemanöver
wieder die gewohnte „Truckfahrt” zum Bahhof, Gepäckausgabe!
Nach einer halben Stunde Warten, während dem wir das Treiben
vor dem gegenüberliegenden Hotel ständig lästernd beobachten,
geht es mit der üblichen MP-Begleitung an abgesperten Bahnstei=
gen entlang zum Zuge. Wir bekommen einen mehr oder weniger
altmodischen Pullmann-Schlafwagen, aber-einmal in USA,
müssen wir je auch das kennenlernen! Die oberen Betten sind
wie die Wannen schräg an Decke u. Seitenwände „gehängt”.
Platz haben wie jedenfalls genug.
Nachdem das Publikum nach uns den Zug gestürmt hatte ging
es 1915 hast unvermerkt ab. Zunächts fahrt durch die übliche Lichtenfülle
der Ortschatten. Kurs genau often; nach dem großen Seen. Der nicht
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unsympathisch aussehende Schlafwagen-Neger braucht zwei Stunden,
bis es untere 24 Betten schlaffertig gemacht hat! Sehr praktisch! Zuletzt
bleib nur noch ein schmaler Gang durch den Wagen zwischen lauter
Bettvorhängen. Das Ganze kaum vorstallbar für uns bei den genierlichen
(Besser: Bigotten) Yankees!
12. Januar. – 810 Buffalo. Außer einen großen Hotel vor dem Bahn=
�hof kein Eindruck von der Stadt, es ist sehr trübes Wetter, neblig.
Früstück im Speisenwagen; sehr modern u. sogar geschmackvoll ein=
gerichtet, das Raucherabteil mit bequemen Polstersesseln, die quer
zur Fahrtrichtung, mit dem Rücken zu den Fetcshere [?], stehen. Den
Vormittag über geht es am Erie-See entlang. Vom See selbst ist
wegen des Nebels nicht viel zu sehen. Die Uferlandschaft ist recht
hübsch, parkartig, ziemlich sicht besiedelt. – Erie – 1225(Ortszeit)
Cleveland. Auffällig viele u. stattliche Katholische Kirchen, mit
offenbar spanisch beeinflußtem Baustil. Wie doch diese kotch [?]. Kirchen
sogar ein USA-Städtebild lebhafter ansehelicher gestalten können, es heimelt
uns geradezu etwas an! Im übrigen hier u. in den folgenden
Stunden der Eindruck eines sehr hoch entwickelten Industriege=
Bietes (Hochofen = u. Hüttenwerke) mi taller zugehöriger Lößlichkeit,
Zumal bei diesem nebligen, regnerischen Wetter. Ausfällig war
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In den Bahnhofsanlagen die genau rechtwinklige Kreuzung
der Gleibanlagen! – Wellington (Ohio) – Galian (Ohio) – Marion
(Ohio) – Bellefontaine (Ohio) – Sidney (Ohio) – Versailles (Ohio) –
– Union City (Indiana) – Winchester (Indiana) – Muncie (Indiana)
– Anderson (Indiana). In Muncie beginnt, es, zu dämmern.
Sofort ist die „Lichtenpracht” der amerikanischen Städte (auch der
kleinsten) erwacht. Diese „Lichtkulissen” täuschen sonst was für
ein Stadtbild war,- bei Tage besehn, erscheint meist eine recht
bescheidene Ansiedlung. Muncie ist typisch für die USA-Bandstädt=
chen: eine breite Geschäftsstraße rechtwinklig zur Bahnstrecke,
sich nach beiden Seiten bald in der getreide Stoppe verlierend,
u. Drumherum ist nicht mehr viel. – Anderson (Indiana) - 1805
(Ortzeit, in Union City (1700) würde die Uhr um eine Stunde zurück=
�gestellt) Indianapolis, die typische „Steppen-Großstadt”. Heller= u.
beleuchtete Hochhäuser im Stadtzentrum am Bahnhof, endlos lange,
wie Boulevards blendem beleuchtete, breite Geschäftsstraßen
mit wimmelndem Autoverkehr. Grosser Bahnhof mit viel Personen=
verkehr: auch die US-Amerikaner, ein Steppenvolk, nomadiesierer
ruhelos, sie eb emit ihren bequemen Eisenbahnen Unt [illegible strikethrough] über
u. zwischen allem die zapplige u. farbenschreiende Lichtreklame
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Im Ganzen: Von Schönheit keine Spur! – Terre Haute – Effingham –
13. Januar. – 030 Einfahrt in St. Louis. Bei hellem Mondenschein
Durch das blendende Lichtermeer einer riesigen Bahnhofsanlage,
Aufentfalt in mächtigem Kopfbahnhof. Nach etwa zweistündigem
Rangieren rollen wir durch die Vorstädte von St. Louis genau
Ostwärts weiter. Die Stadt liegt in einem sehr weiter Talkessel,
Einer flachen Schüssel, z. T. an ̆ u. auf den Uferhängen des
Missouri. Es sind offenbar hübsche Villenvororte, mit gepflegt aus=
sehendem, typischen Holz-Einfamilienhäusern, z. T. In Obstgärten.
Im Mondschein machen diese Ansiedlungen jedenfalls einen
ganz freundlichen Eindruck, etwas anheimelnder als die anderen
Steppenstädte u. saher auch etwas tröstlicher. – St. Charles – Mexico
(Missouri) – Moberly – Brunswick (Missouri) – Norborne (Missouri)
– Camden (Missouri). Im strahlenden Sonntagmorgen-Sonnen=
Schein fahren wir wieder in Missouri-Tal. Der Morgen erinnert
Mich irgendwie an die Hübschen Dörfen in Bessarabien an der Strucke
nach Odessa, wo wir auch an solch’ einem frühlingshaften Sonn=
tag morgen fuhren. Kurz war Kansas City, am Steichbilde der Stadt,
neben riesige Getreidespeichern, an einem Bahnübergang
Autounfall: Die Lok nahm einen PKW mit, der von zwei Frauen
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gesteuert wurde, etwa 30 m mit. Die beiden Weiber entwik=
kelten einen unglaublichen Dusel, den der Wagen wurde
um seine Hochachse sozusagen über Eck gedreht nur Bug u. Heck
waren demoliert die Vordersitze waren fast nicht beschädigt.
Ehe eine neure Lok da war, hatten wir jedoch über 2 Stunden
Versäumt, u. unser Anschluszug in Kansas City war ohne uns
abgedampft! Also Zwangsaufenthalt von 24 Stunden!! Wir werden
wieder endlos hin-u. heranziert stehen endlich im Kansas City
Terminal, etwa im Zentrum der Stadt. Das Geschäftviertel liegt
auf einem sanft ansteigenden Hügel, der von mehreren, gut aus=
sehenden Hochhäusern gekrönt ist. Sonne u. blauer Himmel lassen
das Bild freundlisch erscheinen.- Mittagessen im Bahnhofsrestaurant.
Der Bahnhof ist sauber, modern, architektonisch ansprechend. Das
Restaurant ist ausgezeichnet, freundliche Bedienung (waitresses),
das Personal im übrigen in allen Rassen schillernd, viele Filippinenmädchen. Das Publikum macht einen recht kultirierten Eindruck.
Wir warden für eine Musikkapella gehalten! In der schönen
Bahnhofshalle sind sehr gute Läden, u. a. eine sehr reichhaltige Buch=
Handlung. Zum Abendessen gehen wir wieder im das Bahnhofsrestau=
rant. Auffällig wieder das gute Publikum; man meint steinehe,
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den Einfluss des Deutschems zu spüren, das hier im Mittelwesten
sehr stark sein soll; Kansas City sei das Zentrum des hieligen Deutsch=
tums. Als wir, 4 Mann, als letzte unserer Gruppe das Lokal verlassen,
spricht uns ein jovialer Familienvater an – Der mit Frau u. zwei
Töchtern hier zu Abend ist – ob wir Ausländer seien. Als er erführ,
63
�dass wir Deutsche seien, wurde er fast starr vor Erstaunen, war aber
dann offenbar nicht erfreut u. wünschte un seine recht gute Reiste
vor dem Restaurant, in der Bahnhofshalle, hatten sich unsere Män=
ner um einen kleinen Hern versammelt, mit dem sie sich ange=
regt auf Deutsch unterhielten! Er war Deutscher Pfarrer, vor etwa
20 Jahren aus Köln ausgewandert; er freute sich riesig, uns zu
sehen. Er erzählte besonders von der Stärke des Deutschtums hier,
es gebe einen grossen Deutschen Klub in Kansas City. Auch er
schied mit den besten Wünschen.
14. Januar. – Es wird nach 1100, ehe unser Anschlußzug eintrittt
Es ist wieder schönstes Wetter. Bei der Ausfahrt sehen wir, wie hübsch
die Stadt am steilen Ufer des Missouri liegt. Es geht in MissourieTal lang, die Vegetation ist sehr heimatlich. Stattliche Dörfer,
mit z. T. recht ansehelichen Wohnhäusern; auch Einfluss des
Deutschtums? Im Laufe des Nachmittags wir die Landschaft
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Immer eintöniger, schliesslich gibt es überhaupt keine Bäumer
Mehr; nur nach der Bahnlinie u. einer meist parallel verlau=
Fenden Autostraße orientiert sich die Landschaft. – Lawrence –
– Topeka – Herington – Mc Pherson. Hier sind wir mitten in einem
Ölgebiet, zahlreiche Bohrtüreb mit primitiven Pumpwerken. Das
Städtchen selbst sieht recht wohlhabend aus: gepflegte Straßeb mit
Allendäumen u. Rasenanlegen, recht nette Landhäuser, sogar
in Stein gebaut! Es sollen viele Schweden hier leben, erklärt uns
ein älticher Zugschaffner, dessen Vater Hamburger war; er selbst
spricht aber nur noch einige brocken Deutsch. Stächste Stadt Hutchin=
son angelegt wie Mc Pherson, gröser u. nicht ganz so
gepflegt. – Pratt – Bucklin – Dalhart – Tucumcari, hier Ankünst
�etwa um Mitternacht bei Schneesturm!
15. Januar. – Die fahrt geht durch verschneites Berg gelande,
kaum Vegetation, Stellenreise zwergkiefern. Soweit erkenn=
bar, im Mondlicht sehren wir auch einer zerfurchten Hochfläche,
mit aufgesetzten kleineren Kuppen. Am Vormittag zu erst bei
Schneetreiben, dann bei Sonnenschein durch immer gebirgigen
Landschaft, es treten imposante Bergketten hervor. Badenbedeckung,
soweit durch den Schnee sichtbar schon recht wüstenhaft: niedri=
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ge, kleinblättige Büsche, zwergkiefern. Die Färbung der Gebirgszuge
wird immer schooner, Park rötlich. Zum Mittagessen kommen wir
durch Alamagordo, mit Tierpark am Bahnhof. Hier in der Stüfe soll
Rees mit seinen Leuten sitzen. Der Ort macht einen netten
Eindruck; hinter ihn gehen ostwärds bald die Berge steil hoch.
Der Schnee hat wieder erheblich abgenommen. Rechts der Bahn
kommt ein wildgezackter Bergzug näher. Es seht heftig [1 word illegible].
Bald sieht man in der Ferne die ersten „Hütten” von El Paso,
linkerhand Flughafen. Nach einiger Zeit fehren wir durch ein
riesiges militärisches Lager hindurch [?], z. T. auf einer flachen Buch=
lehre rechterhand gelegen. Des muß doch Fort Bliss sein! Rechts
kommt der Gebirgszug sieht heran. Wir fahren noch eine ganze Strucke
durch Siedlungen. Nach einer starken Rechtskurve wird es
sehr städlisch: Hochhäuser viel Verkehr in den Straße. Das letzte
Stück fahren wir quasi auf der Straße selbst. Dann ein ansehnlicher
Bahnhof: El Paso (1345)! V. Braun, Axster, Schilling u. Fleischer stehen
„Draußen”, mit breitkrempigen Hüten, Lederwesten usw. Sie
Kommen mit einem reserviert aussehenden, aber sonst nicht
Unsympathisch Major ([1 word illegible]) auf den Bahnsteig zur Begri=
�ßung. Im Omnibus (Gepäck im Truck) geht’s sogleich durch die
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Stadt die uns angenehm enttäuscht. Geschäftiges Leben in der
Innerstadt, gute Läden. Besonders fallen uns die schönen
Wohnstraßen auf, mit Bäumen bestanden, komfortable Villen
in Stein gebaut, z. T. geradezu hochherrschaftlich. Sowas hatten wir
in ganz Amerika noch nicht gesehen! Im Vorderteil des Fort Bliss
ebenfalls Steinhäuser an guten Baumbestandenen Straßen,
an einer langgestreckten Rosenfläche. Wir fahren bis ans Ende
des Forts, des dort hinten allerdings sehr barackenhalt aussieht.
In einen etwas abseits gelegenen, geschlossenen Block von
Baracken finden wir unser neues „Heim”. Bauart der Baracken
wie in Fort Strong, die ieinzelnen „Wohnräume” durch Gipsplatten
die nach dem gemeinsamen Mittelgang reichlich viel Entluftungs=
löcher freilassen, abgeteilt. Ob die „US-junior-officers” wirklich
so wohnen? Oskar Bauschinger ist nicht da er arbeitet z. zt. im
„White Sands Proving Ground” bei Las Cruses, ca. 80 Meilen
nördlich von hier, westlich von Alamogordo. Dort ist der Reesische
Laden, von dem wir schon färten, die Stelle, wo die Schlosserei vor
Sich gehen soll. Das kann wir mitten in der Wüste sein, am
Fuße der zarkigen Berge (Organ Mountains), die wir westlich
Von Alamagordo sahen.
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1946
Ich beziehe vorerst Oskars Zimmer, in oberen Stockwerk in der nord=
östlichen Ecke einen Baracken. In der zweier militärischen, aber sehr
adressen „Messhall”-Baracke ein Imbiss, serviert durch deutsche
Kriegsgefangene, die einen unvergleichlich besteren Eindruck
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�machen als die in Fort Strong, meistens Afrikakämpfer, also Elite=
truppe. Gegen Abend Volksversammlung in der „Konstruktions=
baracke”, u. Braun fürht uns in die Lage eine. Die erste, von uns
selbst gestalt Aufgabe heißt „Eisbruchen”. Dazu wird gemeinsam
ein FR-Buch geschreiben, des im War Department breschen schlagen
soll. Sodann wird ein neues Project bearbeitet: Verwendung
des [1 word illegible] als Träger für eine Sekundärrakete mit Marschtriebwerk
(„Lorrain-Rohr”). Daneben Theaterschiessen mit [1 word illegible], domitis [?] die
Amis lernen. Die teschnische Regie der Arbeiten in White Sands
läuft unter der Regie der General Electric. Zugleich wird
auch offenkundig, was neben diesem sehr positiven Ablauf der
hochlichen Seite an manschlichen Dingen schief gelaufen ist:
Von Heimatpost ist noch weit u. breit nichts zu sehen, wir sind
praktisch auf unseren Barackenbereich einzusperrt (so sieht also
„no physical restriction” aus!), die Quartiere sin dim Ganzen
Eben doch mangelhaft, keine Battwäsche, u. an Päckchenschicken
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1946
ist vorerst überhaupt nicht zu Denken! Der Kommandant der Fort
Bliss, ein Maj. Gen. Forester, soll uns gar nicht gut gesonnen sein,
er verbietet uns das Herumlaufen im Fort, den Besuch der
Kinos, Service Clubs, der PAE’s (Marketenderwaren-Verkauf),
ja sogar des Haareschneiden-Lossen beim Truppenfriseur!! Da
stimmt doch was nicht! Beherschenden Eindruck: Selbst für ams=
liche US-Stellen gibt es bezüglich Vertragstreue wenig Skrupel!
Den erfreulichen Abschluss des Abends bildete des zusammen=
Heim im „Clubhaus”. Das ist eine vergrößerte Holztaube am Rande
des freien Geländes neben unseren Baracken. Dieses Clubhaus
haben sich unsere Männer zu Weihnachten selbst geschaffen haben.
�Das ist echt Deutsch! Aus Pappe, Nägeln, Beine, Alten Batten u.
Farbe haben die Männer etwas hiergezaubert, warum uns sicher
erste Bar mit silbrigen Sternenhimmel u. Schikanen, einen
netten Leseraum mit bequemen, selbstgezimmerten Sesseln u.
Couchen, wirklich anheimelnd, ein Spielzimmer, eine kleine PSL.
Dieses Clubhaus muß uns also gezwungener Maßen sehr viel be=
denten in unserem hiesigen Dasein! Jedenfalls ist es ein Bezirk,
wo wir uns allein als die Tonangebenden fuhlen kämen!
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1946
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Dublin Core
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Title
A name given to the resource
Gerhard Reisig Collection
Identifier
An unambiguous reference to the resource within a given context
Gerhard Reisig Collection
Description
An account of the resource
<p>Dr. Gerhard Reisig was born in Leipzig, Germany in 1910 and died in Moorhead, Minnesota in 2005. Reisig attended the Nikolaischule through high school. He received his engineering degree from the Technical University in Dresden, Germany, and he later earned his doctorate in engineering from the University of Braunschweig, Germany.</p>
<p>After working for the Siemens Co. in Berlin for several years, Reisig joined the Wernher von Braun rocket team in Peenemuende, Germany. Brought to the United States through Operation Paperclip, Reisig moved with the team to El Paso, Texas in 1946 and then to Huntsville, Alabama in 1951. He first worked at the Army Ballistic Missile Agency, then at the Marshall Space Flight Center, remaining with the rocket team until his retirement.</p>
<p>After retiring, Reisig taught for a year at Concordia College in Moorhead as a visiting professor of physics. He continued working on various projects and authored a comprehensive history of rocket technology. Reisig regularly participated in space-related meetings and gave lectures, and he maintained contact with scientists in many countries. Dr. Reisig is the author of "Raketenforschung in Deutschland."</p>
Relation
A related resource
<a href="http://libarchstor.uah.edu:8081/repositories/2/resources/78">View the finding aid for the Gerhard Reisig Collection on ArchivesSpace</a>
Dublin Core
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Identifier
An unambiguous reference to the resource within a given context
spc_reis_000001_transcript
Title
A name given to the resource
Transcript of 1945-1946 Journal of Gerhard Reisig Dipl.-Ing.
Description
An account of the resource
Gerhard Reisig Dipl.-Ing., later Dr. Gerhard Reisig, was a German-American rocket scientist that worked on the team of von Braun at Fort Bliss. This journal covers his journey to the United States under Operation Paperclip, and includes descriptions of his experience to and through his arrival on December 6th, 1946. In this journal, he discusses numerous parts of his travel and experience in the United States including the rail route taken by the group he was in, reviews of two films of the time, comments on fashion and American society, as well as periodic mentions of food culture especially early in the journal. The transcript includes links to copies of the articles he transcribed by hand if they could be found.
Creator
An entity primarily responsible for making the resource
Reisig, Dr. Gerhard
Temporal Coverage
Temporal characteristics of the resource.
1940-1949
Subject
The topic of the resource
Reisig, Gerhard
Aeronautical engineers
Operation Paperclip (U.S.)
Ocean travel
Railroad travel--United States
United States--Description and travel
Fort Bliss (Tex.)
Type
The nature or genre of the resource
Diaries
Transcripts
Text
Source
A related resource from which the described resource is derived
Gerhard Reisig Collection
University of Alabama in Huntsville Archives, Special Collections, and Digital Initiatives, Huntsville, Alabama
Language
A language of the resource
de
en
Rights
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Relation
A related resource
spc_reis_23_2
Has Format
A related resource that is substantially the same as the pre-existing described resource, but in another format.
<a href="http://libarchstor2.uah.edu/digitalcollections/items/show/13447">1945-1946 Journal of Gerhard Reisig Dipl.-Ing.</a>